Auf Tichys Einblick läuft gerade eine Volksbefragung. Ich hab' dran teilgenommen und veröffentliche hier meine Antwort:
Mein Deutsch-sein beginnt spät, ich wuchs ohne Nationalität auf. Meine Muttersprache ist deutsch, aber mein Land war als Gegenentwurf zu Deutschland gegründet worden. Als eine Art Antideutschland. Deutschland war dort schon als Name ein Tabu. Es stand für das dritte Reich. Heimatgefühle für die DDR, in der ich geboren wurde, konnte ich nie entwickeln. Ich wollte weg, immer nur weg aus dieser Enge.
Die Erkenntnis deutsch zu sein, wurde von außen an mich herangetragen. Während eines Urlaubs mit meinen Eltern in Polen Anfang der 70er zum Beispiel. Plötzlich wurde unterschieden zwischen uns Deutschen und den Russen. Das war neu für mich. Und was noch schlimmer war: Gemeinsamkeiten wurden benannt.
Aber wir sind doch aus der DDR? Ja, Deutsche seid ihr aber trotzdem!
Dann reiste ich Ende der 70er das erste Mal nach Ungarn und wurde konfrontiert mit der dortigen selbstverständlichen Gewissheit, die deutsche Teilung sei ein vorübergehendes Phänomen.
Du hast es gut, irgendwann bist du Bürger dieses Wirtschaftswunderlandes wurde mir immer wieder gesagt.
Ein paar Jahre später In Rumänien lernte ich die damalige bittere Armut kennen, welche mich als DDR-Bürger richtig wohlhabend erscheinen ließ. Ich machte die Bekanntschaft anderer Deutscher in Siebenbürgen, die Wurzeln pflegten welche bei mir nur als Keime vorhanden waren.
Es waren vor allem Ausländer die mir bewusst machten, dass ich Deutscher bin.
So wuchs in mir das Interesse für das originale Deutschland und es stieg die Verachtung für das Feldexperiment DDR. Nachdem mich die Versuchsleiter gehen ließen, begann für mich die Assimilierung einer Nationalität, die, wie ich von anderen erfahren hatte, meine sein musste. Ich war bereit mir Mühe zu geben, änderte meine Wortwahl und Teile meiner Gepflogenheiten. Ich passte mich an, weil ich dazugehören wollte.
Das war in Berlin keine sehr große Herausforderung, in anderen Teilen Deutschlands hätte ich mir bestimmt mehr Mühe geben müssen.