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Sonntag, 15. Mai 2016

Beim Brexit geht es nicht nur um Volkswirtschaft, sondern wie bei TTIP um Regulierung.

In der Diskussion um den Brexit, also dem möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU, wird der Eindruck vermittelt, es handele es sich um eine Problemstellung volkswirtschaftlicher Natur. Die Befürwortern eines Verbleibs des Landes in der EU heben sie so hervor, als wäre es das einzige Kriterium dass es zu beachten gilt.
Warum eigentlich?
Gibt es wirklich keine anderen Kriterien die ebenso schwer, oder sogar schwerer wiegen als die Frage nach den wirtschaftlichen Konsequenzen?
Natürlich gibt es die und eines ist das der Regulierung und Standardisierung. Hier wird kaum abgewogen, kein Für und Wider verglichen. Entweder ist steht nicht weniger als das Weltklima auf dem Spiel oder zumindest die soziale Sicherheit. Dabei wäre es viel interessanter den Zusammenhang zwischen staatlicher Regulierung und individueller Handlungsfreiheit zu betrachten, die mit dem Allerweltsbegriff "Daseinsvorsorge" die freie Wahl des Bürgers bei Leistungen derer er "zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf" einzuschränken. Hier offenbart sich staatlicher Paternalismus.

Einem nicht unerheblicher Teil der Briten geht die Regulierung durch die EU einfach zu weit. Sie greift in immer mehr Lebensbereiche ein. Es spielt dabei keine Rolle, dass die Verursacher dieser Fehlentwicklung gewählte Politiker sind und die Souveränitätsrechte freiwillig abgegeben werden. Auch nicht, dass die Gesetzesinitiativen im Europäischen Rat (Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU) befürwortet werden müssen. Es ist allenfalls ein Zeichen für das Demokratieverständnis der EU-Regierungen mit dem stärksten Gewicht dass sie die Demokratiedefizite der EU nutzen, um am nationalen Gesetzgeber vorbei die Handlungsfreiheit der Bürger immer weiter einzuschränken. Und auch von nationalen Regierungen wenn sie in Abstimmungen unterliegen.
Es ist eher ein Beleg für die Verführbarkeit der Macht und der Notwendigkeit einer wirksamen Begrenzung und Verteilung der Macht.
Der Blog ScienceFiles hat eine Dokumentation veröffentlich - sehr sehenswert. Es ist die Sicht der Brexit-Befürworter. Ich denke, ihre Argumente sollte man sich unbedingt anhören. Es gibt eine Kurzversion und den gesamten Dokumentarfilm:
https://sciencefiles.org/2016/05/13/brexit-der-film-wie-in-einer-offenen-gesellschaft-ueber-die-eu-diskutiert-wird/

Dieses Thema spielt beim Referendum über den Austritt Großbritanniens eine ganz entscheidende Rolle und wiegt vielleicht schwerer als rein volkswirtschaftliche Überlegungen.
In Deutschland dagegen sind solche Fragen kein großes Thema. 

Bei dem Versuch einer Beantwortung der Frage nach dem Warum, bin ich auf einen bemerkenswerten Artikel von Gerhard Schwarz auf "avenir suisse" gestoßen. Er schreibt:
Ausserdem ist in der Vergangenheit der Begriff der Freiheit wohl zu wenig mit Inhalt gefüllt worden, in der Theorie, vor allem aber in der gelebten Wirklichkeit. Er bedeutet eben mehr als einfach die Freiheit vor dem willkürlichen Zugriff anderer ebenso wie des Staates. Er bedeutet gewiss die Gleichheit vor dem Gesetz und die gleiche Würde aller, er bedeutet aber auch Selbstverantwortung statt staatlichen Paternalismus, Sinn für das Mass bei jedem Einzelnen statt von oben verordnetes Wohlverhalten, Haftung für sein Tun statt Staatsgarantien und Überwälzung externer Effekte auf Dritte sowie konsequenten Schutz des Privateigentums statt schleichende Aushöhlung durch Regulierung, Steuern und Inflation.
In Deutschland wird die Freiheit nach der vorherrschenden öffentlichen Meinung nicht durch Regulierung und Steuern/Abgaben angegriffen, sondern wenn der Datenschutz in Gefahr ist. Kürzlich schrieb mal ein Kommentator, der Datenschutz sei für uns Deutsche ein Diktaturabstand.
Wer wie ich die völlige Regulierung des eigenen Lebens - buchstäblich von der Wiege bis zur Bahre - erlebt hat und ihr entfloh, stellt dann die nächste Frage:

Warum wird in der Rückschau auf die deutschen Diktaturen nicht die Unterbindung einer umfassenden Regulierung durch den Staat als Diktaturabstand gesehen, sondern ein umfassender Datenschutz, der sogar zu einer Gefahr für die Sicherheit der Bürger werden kann, wenn diese angegriffen werden und er eine effektive Strafverfolgung unmöglich macht?

Nehmen wir mal das Beispiel der DDR. Die Stasi hat Daten gesammelt, viele Daten, auch meine Person betreffend. Für damalige Verhältnisse und Möglichkeiten extrem viele. Doch mit der faktischen Aufhebung der Handlungsfreiheit der Bürger hatten die nur wenig zu tun. Die dafür nötigen Daten bekam das SED-Regime auf dem gleichen Weg wie heutzutage Daten offiziell erhoben werden.
Zur Einschränkung der Handlungsfähigkeit sind nicht mal viele Daten nötig. Die aus dem Personalausweis reichen aus plus die des Arbeitgebers und der Sozialversicherungen.

Vielmehr wird die Bereitschaft zur umfassenden Regulierung durch Suggestion einer daraus resultierenden höheren Sicherheit gewonnen. Dort, wo ein übermäßiger Datenschutz Kriminellen und Terroristen das Leben erleichtert, soll eine immer weitergehende Regulierung die "Verunsicherung der Bürger" beseitigen. Und ist diese nicht stark genug für große Schritte auf diesem Weg, zum Beispiel der Großen Transformation, werden Ängste einfach befeuert.
Aus diesem Kreis von immer stärkerer Regulierung als Ersatz für verlorengegangene Sicherheit durch einen Datenschutz der Behörden schützt, effizienter arbeiten zu müssen (oder zu können), kann sich ein europäischer EU-Staat entwickeln, dem viele in Großbritannien dann nicht mehr angehören wollen.

Warum das in Deutschland nahezu als unproblematisch angesehen wird, hat damit zu tun, dass die Freiheit, die immer auch Ungleichheit impliziert, der Sehnsucht nach gleichen Lebensbedingungen für alle gern geopfert wird. Allenfalls in Jahren spürbar zunehmenden Wohlstands geht diese Favorisierung von staatlicher gewährleisteter "Sicherheit" in Form der sogenannten Daseinsvorsorge gegenüber der Freiheit in Eigenverantwortung zurück.
Für dieses Modell von hohen Steuern und Abgaben in Kombination mit dem Ausbau von staatlichen Sozialprogramme, der Regulierung der Wirtschaft und von Eingriffen in die Handlungsfreiheit der Bürger gibt es keinerlei Diktaturabstand.

Und genau dagegen richtet sich die Kritik an der EU, die von deren Repräsentanten überhaupt nicht ernst genommen wird. Sie verkaufen diese Politik als eine Notwendigkeit beim Zusammenwachsen Europas und verfestigen damit sämtliche Vorurteile oder - wecken unerfüllbare Erwartungen, denn überregulierte Gesellschaften verlieren an Innovationskraft, Wachstum und Wohlstand. Abgesehen vom Verlust an individueller Freiheit.
Was bleibt, ist die Arroganz der Macht der die Akzeptanz der gesamten Idee zum Opfer fällt und ein Souverän der leichter zu überschauende und zu kontrollierende nationale Strukturen denen der EU  den Vorzug gibt.
Darauf werden die Regierungen in Europa reagieren müssen.

Erling Plaethe




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