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Dienstag, 29. September 2015

Arbeitende Flüchtlinge? Nein danke.

So lautet die Überschrift des heutigen Kommentars von Florian Gathmann auf S.P.O.N.

Dieses "Nein danke" könnte auch die Antwort sein auf: "Wünschen der Herr noch die Dessert-Karte?" oder: "Noch einen Espresso?".
Nein, der Kellner soll aufhören zu nerven. Ich will nichts, nein danke! Und hau'n Sie ab, ich sitz' hier so lange ohne zu bestellen wie 's mir passt. Ich bin König!

Geradezu stilprägend wurde es aber durch: "Atomkraft? Nein danke!". Was für ein peinlicher Slogan.
"Möchten Sie noch Sahne zum Kuchen?" 
"Ist die handgeschlagen?"
"Wir schlagen die Sahne mit der Maschine."
"Nein danke."

Ja, mancher Bürger will gefragt werden. Und zwar bei jeder anstehenden Entscheidung. Er bildet das Zentrum des gesamten Universums. Alles dreht sich um ihn. Und er sagt gerne nein. Danke weniger, aber es kommt dann nicht so nihilistisch rüber. Schließlich bedankt man sich ja für das Angebot. Aber nein. Kernkraftwerke? Nein, will ich nicht.

Na gut, dann schalten wir sie ab.

Jetzt sind also Ausnahmen vom Mindestlohn in die Empörungskategorie der Kernkraftwerke aufgestiegen. Eine heilige Kuh wurde da geboren.

Sonntag, 27. September 2015

Was die Bürokratie stärkt

Der von mir hoch geschätzte Ulf Poschardt von der "Welt" hat einen Artikel dieser Zeitung von Thomas Schmid so euphorisch retweetet, dass ich ihn mir durchlesen musste. 
Ich stimme ihm zu, wenn er von der Aushöhlung der Demokratie durch die Bürokratie schreibt.
Aber was die Machtverlagerung (von den Legislativen) hin zu den Exekutiven angeht, ergibt sich für mich folgendes Bild: 
Sie wird m.E. erst ermöglicht durch die Vorstellung, dass es sich bei der modernen Demokratie "um - wie auch immer repräsentativ vermittelte - Volksherrschaft" handelt. Wird die dem Begriff der Demokratie originäre "Volksherrschaft" bemüht, ist, wohlwollend betrachtet, von mehr direkter Demokratie und Mitbestimmung die Rede. Andere Interpretationen von "Volksherrschaft" gehen von sozialistischen Staatsmodellen aus. 

Die Mitbestimmung der Bürger an politischen Entscheidungen greift jedoch schon ohne Formen direkter Demokratie als öffentliche Meinung weitaus stärker in diese Entscheidungsprozesse ein, als es für eine funktionierende Aufgabenteilung von Exekutive und Legislative zweckmäßig wäre. Sie ist es auch, die sich der Bürokratie bedient und ihr Wachstum beschleunigt. Das trifft auch auf die betriebliche Mitbestimmung zu.
Mit jeder Forderung an den Staat doch bitte endlich diese und jene Gerechtigkeitslücke zu schließen und schärfere Sozial- und Umweltstandards einzuführen, werden der Bürokratie mehr Aufgaben übertragen und mehr Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Bürger gestattet. Was dann erst einmal implementiert wurde, wird nicht von der Exekutive vehement verteidigt, sondern von gesellschaftlichen Gruppen die die öffentliche Meinung maßgeblich prägen, wie politische Aktivisten, Umweltbewegungen und NGO. Der Widerstand gegen TTIP und CETA ist ein Beispiel. Weitere wären die grotesk hohen Umweltverträglichkeitsprüfungen bevor in Deutschland ein Kilometer Autobahn gebaut werden kann.

Samstag, 5. September 2015

Warum Orban nicht recht hat

Mir ist das auch schon in den Kopf gekommen, die Frage ob Victor Orban nicht vielleicht recht hat.

Aber was der ungarische Regierungschef hier so scheinbar einleuchtend nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung darlegt, ist ein Trick der alle Nase lang von Gysi über Wagenknecht bis zu Putin und den Verschwörungstheoretikern dieser Welt erfolgreich angewandt wird:
Ziehe aus einer halbwahren Prämisse eine logische Schlussfolgerung und schon steht dir eine verblüffend überzeugende und belegte These zur Verfügung. Propaganda at its best.

Es gibt in Europa seit 2010 ein Flüchtlingsproblem. Damals war es noch ein italienisches. Mit dem andauernden Bürgerkrieg in Syrien und den rasant steigenden Flüchtlingen in der Türkei wurde es auch ein griechisches. Ein maltesisches war es seit es ein italienisches war. Dann wurde es ein deutsches, spanisches und nun ein ungarisches.
11,6 Millionen Syrer sind auf der Flucht, 4 Millionen außerhalb Syriens. Hinzu kommen Flüchtlinge aus dem Irak und Libyen. Allein geographische Gründe sorgen für eine Verlagerung der Folgen des Krieges im Irak und Syrien nach Europa. Europäische Länder waren deshalb proportional zur Entfernung vom Kriegsherd natürlich auch von den Flüchtlingsbewegungen betroffen.

Weshalb Victor Orban sein Problem, und das aller anderen mit hohen Flüchtlingszahlen zu kämpfenden EU-Länder, zu einem deutschen macht, liegt darin begründet, dass Deutschland seit August nicht mehr versucht Syrer in die Länder zu überstellen wo sie nach der Drittstaatenregelung ihre Anträge auf Asyl zu stellen hätten. Das scheint in der Tat ein sinnloses Unterfangen zu sein.
Deutschland macht Gebrauch vom Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 der Dublin-III-Verordnung.
Und ja, damit aus der Not eine Tugend. Das wird auch schon mal weniger wohlwollend interpretiert.
Im Umgang mit den Flüchtlingen werden nationale Eigenarten durchaus deutlich. 
Doch in dem Deutschland sich redlich bemüht die Flüchtlinge aufzunehmen die andere nicht (mehr) aufnehmen können oder wollen, entlastet es auch andere EU-Staaten.
Eigentlich wäre Orban zu Dankbarkeit verpflichtet, dass Deutschland im Fall von syrischen Flüchtlingen auf Überstellungen verzichtet. Stattdessen dreht er Deutschland daraus einen Strick und kaschiert sein eigenes politisches Versagen.

Deutschland wird nach seiner Lesart zum Magneten, weil es die Flüchtlinge nicht in Lager steckt und inhaftiert wie es die Dublin-III-Verordnung vorsieht, sondern ihnen die Möglichkeit gibt, ihren Antrag bei deutschen Behörden zu stellen. Die andere Vorgehensweise wäre weder rechtlich noch politisch durchsetzbar.