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Mittwoch, 1. Juli 2015

Auch Europa steht vor einer Wahl

Sozialismus bedeutet nicht nur wirtschaftliche Enteignung sondern auch die Wegnahme der Eigenverantwortung. Verbunden mit der Illusion, andere würde diese enteignete Verantwortung nun für einen selbst übernehmen. An die Adresse der diffusen Gruppe des Kollektivs, der Gesellschaft, des "Wir", geht im Gegenzug die Forderung nach Solidarität.
Mit dem Maß an Enteignung sinkt auch die Hemmschwelle auf Kosten anderer sein eigenes Leben zu finanzieren. 

Die Eurozone hat diese Vorstellung von der transferierten Verantwortung genährt, in dem sie die No-Bailout-Klausel so weit relativierte, bis sie praktisch nicht mehr vorhanden war. Sie allein hätte zwar nicht verhindern können, dass die griechischen Regierungen seit Jahren erfolgreich die teilweise Enteignung der Euroländer oder besser, die Umverteilung in ihren Haushalt, erzwingt. Aber diese vorhersehbare Entwicklung hätte früher gestoppt werden können, bevor sie zu einem existenziellen Problem der Währungsgemeinschaft werden konnte.

Ein unvoreingenommener Blick über den Atlantik vor der Euroeinführung auf die dortigen Regeln für die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaftswährung Dollar, stand dem europäischen Selbstverständnis, anders zu sein, im Weg. Vielleicht war es auch nur Arroganz.
Hier das soziale Europa, dort das Amerika des marktradikalen Kapitalismus. 

Die Eurozone ist für eine sozialistisch-nationale Regierung, wie die derzeitige in Griechenland, nie sozial genug. Syriza ist gerade dabei das "Soziale" in Europa so gründlich herauszufordern, wie es das seit der andauernden Griechenlandrettung noch nicht gegeben hat. Man kann auch sagen, sie ringt Europa ein Maximum an Sozialismus ab. Das dürfte für die meisten Euroländer zu viel sein, dennoch kennen sie jetzt die Relevanz der Gründe, die bei der Einführung des Euro von den Skeptikern dieser Gemeinschaftswährung immer angeführt wurden. 
Einer der schwerwiegendsten Gründe war, dass der zweiten Schritt damit vor dem ersten getan wird. 
Der erste wäre die Schaffung einer Staatlichkeit gewesen, bevor die gemeinsame Währung eingeführt wird.
Der Euro sollte den ersten Schritt dagegen erst möglich machen, denn Europas Etatisten wussten, dass es den europäischen Souverän nicht gibt und zu seiner Herausbildung noch Jahrzehnte dauern kann. Ein Katalysator sollte diesen Prozess beschleunigen und die dominierende DM unter anderem Namen europäisieren.
Mit der Euroeinführung wurden dann Illusionen beflügelt, die sich in Immobilienblasen, z.B. in Spanien, und hohen Löhnen und Gehältern, z.B. in Griechenland, ausdrückten, denen die Produktivität fehlte. 

Die nächste Illusion bestand darin, zu verdrängen, dass eine gemeinsame Währung bisher auch eine Transferunion und Haftungsgemeinschaft war. So ist die Kritik aus Amerika auch zu verstehen, man solle endlich einen weitergehenden Schuldenschnitt für Griechenland verhandeln. 
Deutschland kennt das. Bremen ist schon seit Jahrzehnten pleite und seine Insolvenz wird immer weiter verschleppt.
Die Illusion wird perfekt, wenn gleichzeitig mit der Ablehnung einer solche Transferunion und Haftungsgemeinschaft noch darauf verzichtet wird, für den Ausstieg eines Landes ein Prozedere vertraglich zu vereinbaren.

So hing der Euro von Beginn an vom Wohlwollen seiner Mitglieder ab, die weniger strenge Regeln zu befolgen haben als ein amerikanischer Bundesstaat in der Währungsgemeinschaft des Dollars. Ein einzelnes Mitglied kann aus der ambitionierten Währung des Euro eine Weichwährung machen. Somit war diese Währung von Beginn an erpressbar. 
Syrizas Griechenland will genau diesen Nachweis erbringen und ist offenbar bereit, bis zum Ende des Euros zu gehen. Es will nicht Eigenverantwortung übernehmen, sondern die gesamte Währung in seine Strukturkrise mit hineinreißen. 

Allenthalben wird über die Folgen eines Grexits diskutiert, der dürfte aber nicht das Besorgnis erregende Problem sein. Sondern die Folgen, welche aus der Eskalation durch Syriza Europa drohen.
Darauf hat sich keiner vorbereitet, weil dieses Verhalten nicht erwartet wurde. Warum das diesen  Linksextremisten nicht zugetraut wurde, hat ganz ähnliche Gründe warum man meinte, den zweiten vor dem ersten Schritt tun zu können - ohne negative Konsequenzen.
Wie weit Tsipras Unterschätzung ging, zeigen die Mutmaßungen vor ein paar Wochen, seine Frau hätte ihn verführt und würde im Hintergrund die Strippen ziehen.
Er müsse erst mal erwachsen werden.

Dabei ist Europa nicht weniger unreif in seinem Versuch einen europäischen Souverän von oben zu erschaffen in dem man ihn durch eine weitere Bürokratie mehr gängelt als er es als nationaler Souverän in Europa ohnehin gewohnt ist. Und in dem Vereinbarungen, wie die Stabilitätskriterien, ohne schmerzliche Sanktionen gebrochen werden können.
Griechenland pfeift ebenfalls auf Vereinbarungen, nur eben radikal. Lediglich in diesem Attribut liegt der substanzielle Unterschied zwischen der Eurozone und Syrizas Griechenland.
Das soziale Europa kollidiert immer wieder mit der Marktwirtschaft und der sie prägenden ökonomischen Grundregeln.

Es müsste sich jetzt entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Diese Entscheidung wird durch Griechenlands Politik sogar einfacher, weil sich das konsequente soziale Europa gerade durch eben dieses Griechenland auf der Bühne der Welt laut und deutlich repräsentiert. 

Erling Plaethe

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