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Dienstag, 7. Juli 2015

Griechenland feiert, Kuba gratuliert und Russland orchestriert

Gestern wurde in Griechenland gefeiert. Die Gewinner eines Referendums über ein altes, längst nicht mehr auf dem Tisch befindliches Angebot, feierten sich selbst im Nachtreten. 
Oder besser darin, abzulehnen, was schon ihre sozialistisch-nationale Regierung abgelehnt hatte.

Es war ein Hilfsangebot, Griechenland sollte Milliarden Euro erhalten. Weil es ausgeschlagen wurde, mussten die Banken schließen. Damit dies so bleibt, wurde gestern von 60% der Wählenden "Nein" gesagt - und Party gemacht. 
Diese Stimmungskanonen halten sich für Sieger und warten auf ein besseres Angebot. 

Das ist wirklich abstrus. Derjenige welcher um Hilfe bittet, lehnt ein Angebot nach dem anderen ab, um sich für so wenig Gegenleistungen wie nur möglich bereit zu erklären, den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes durch andere verhindern zu lassen. Üblicherweise wird einem Hilfesuchenden gesagt für welchen Preis er dies oder jenes erhält. Dann kann er ablehnen oder zustimmen. 

Also was bringt Griechenland in die Lage, die Ausgangssituation dermaßen auf den Kopf zu stellen und als Nehmer den Geber zum Bittsteller zu machen und sich selbst dazu, Forderungen zu stellen und dies als einen Sieg der Demokratie zu feiern?
Was bringt Griechenland dazu das geborgte Geld anderer Staaten zu behalten, nicht zurück zahlen zu wollen und dies Solidarität zu nennen?
Was bringt Griechenlands Bürger dazu keine Steuern an den Staat zu zahlen und trotzdem ein Höchstmaß an Leistungen von ihm zu verlangen, die, wenn dieser nicht zahlen kann, von anderen Staaten erbracht werden sollen und das Ganze dann soziale Gerechtigkeit zu nennen?

Es ist die Lebendigkeit der sozialistischen Ideologie in Europa. Keine Neuigkeit für alle die in dem institutionalisierten Europa eine EUdSSR meinen zu erkennen. Abgesehen davon, dass ich diese Verharmlosung kommunistischer Gewaltherrschaft nicht teile, sehe ich selbst bei den Sozialdemokraten Politiker wie Sigmar Gabriel, die Abstand zu halten, bereit sind. 
Mir geht es mehr um die öffentliche Meinung. Interessanterweise haben nämlich die 60% griechische Realitätsverweigerer ein ebenso starkes deutsches Äquivalent in den 60% Deutschen, die linksradikale Ideen vertreten. Nicht in jedem Land der Eurozone werden diese 60% herauskommen. Aber ohne die hohe Akzeptanz der Revolutionsromantik sind ähnliche Phänomene wie die "Israelkritik" kaum zu erklären. 
Diesem Teil öffentlicher Meinung folgen Politiker und bekommen dann in der Praxis die Probleme, welche Griechenlands Regierung dem Rest der Eurozone zurzeit so virtuos aufzwingt.

Nun sehen viele Journalisten diese Situation als Chance und in der Tat ist es verführerisch in der erst am Anfang stehenden griechischen Tragödie etwas Positives für Europa zu sehen. 
Wenn man nur mag. 
Doch frei nach Karl Valentin hätte ich schon gewollt zu mögen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut. Es ist angesichts der verfahrenen Lage meines Erachtens einfach zu gewagt.

Denn nachdem sich Ende Juni sogar die Ultimaten an Griechenland häuften, war nach Abbruch der Verhandlungen, oder besser des letzten Erpressungsversuchs Tsipras, angeblich das Tischtuch zerschnitten. Das Referendum sollte Zeit schinden, wie jede Antwort des Ministerpräsidenten Griechenlands, doch dann lief eben das Hilfsprogramm aus und eigentlich war nun der Drops gelutscht.

Aber dann, heute morgen, zum Beginn der Zeit nach dem Referendum, zaubert Tsipras sein nächstes Kaninchen aus dem Zylinder. Er entlässt seinen Finanzminister. Ob der sich nun nicht mehr mit Terroristen an einen Tisch setzen wollte oder die nicht mehr mit ihm, ist völlig schnuppe. Auch wer sein Nachfolger wird. 
Denn der griechische Regierungschef hat sich erstmal mit Putin abgestimmt. Es dürfte zwar alles nach Plan laufen, aber der Meister ordnete wohl noch ein paar Feinabstimmungen an.

So läuft das jetzt: Die Eurozone stimmt sich innerhalb der Eurozone ab und Griechenland mit dem Führer Eurasiens. 
Ach ja, es könnte alles so einfach sein: Eine Zone von Lissabon bis Wladiwostok. 

Doch bevor Europa soweit ist, gibt es für Putin und Tsipras noch einiges zu tun. 
Und so sieht es den nächsten Verhandlungen entgegen, in die nun Tsipras noch größenwahnsinniger eintreten wird. Hat er doch auch noch die Glückwünsche seines Genossen Raul Castro erhalten. Die Lücke, welche der Revolutionsheld Varoufakis hinterlassen hat, will gefüllt werden.
Eine linksradikale Regierung hat kein Problem mit wachsender Verelendung - im Gegenteil, sie dient dem Machterhalt, solange sie glaubwürdig äußere Mächte für die Misere verantwortlich machen kann. In Griechenland ist das spätestens seit Sonntag der Fall. 
Und so wird der wirtschaftliche Niedergang Griechenlands zum Kampf um die Definitionshoheit darüber, was künftig Europa unter Demokratie, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit versteht. 

Die Chancen stehen nicht allzu gut, dass sich alle in der Eurozone auf gemeinsame Begriffserklärungen verständigen. Allerdings wäre es auch nie zu der Notwendigkeit dies zu tun, gekommen. Würde die griechische Regierung, um mal die Metapher von Varoufakis aufzunehmen, nicht mit der Erschießung seiner Geiseln drohen. ("Und das haben dann die Geber allein zu verantworten", oder so ähnlich.)
Vor dieser Verständigung hat sich Europa immer gedrückt und stattdessen lieber Floskeln in Sonntagsreden zum Besten gegeben. Jedes Euroland fuhr ganz gut damit, immer seine Perspektive als allgemeingültig anzunehmen und entsprechend zu handeln. Gleichzeitig aber die unterschiedliche Betrachtung in anderen Ländern zu ignorieren. 

Der griechische Sozialismus, der sich nicht nur an Kuba orientiert, sondern auch an einer Diktatur wie Venezuela, vereint Europa erst einmal. Seine katastrophalen Auswirkungen jedoch werden es spalten. 
Griechenland spielt mittlerweile eine aktive Rolle im kalten Krieg Russlands gegen Europa. 
Die Verelendung Griechenlands mit Ansage wird die Eurozone noch viel stärker unter Druck setzen als das bisher der Fall war. Sie wird aufzeigen, wie sehr die Eurozone hinter ihrem moralisch aufgeladenem Selbstverständnis von Zusammengehörigkeit zurückbleibt.  Das liegt nicht daran, dass diese Werte in Europa nichts mehr gelten oder es keinerlei Solidarität gäbe. Es liegt daran, dass zur Klärung der Bedeutung dieser Begriffe keine entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen getroffen wurden. Und wenn, dann ohne wirksame Sanktionen. 
Das beginnt mit dem Prinzip der Eigenverantwortung, ohne das diese Werte nur hohle Phrasen sind und einem Belastungstest nicht standhalten. 

Werden sie gemessen an einer radikalen nationalen Auslegung, die die Verantwortung auf die Gemeinschaft verlagert, hat Tsipras sein Ziel erreicht. In Deutschland ist dieses Vorgehen aus der täglichen Erfahrung im ständigen Ausbau der sozialen Sicherungssysteme bestens bekannt. Gerät dieser mal ins Stocken, gibt es eine breite radikale gesellschaftliche Basis, die sofort einen sozialen Kahlschlag herbeifantasiert. 
Wenn es darum geht wie Europa aussehen soll, ob wir eine Transferunion mit Haftungsgemeinschaft zu bilden haben, um den europäischen Werten gerecht zu werden, ein gesamteuropäisches Sozialsystem, dass die ärmeren Länder dauerhaft alimentiert, kurz, ihre Eigenverantwortung - nicht so sehr die Souveränität - an europäische Institutionen übergibt, dann wird Syriza mehr und mehr Verbündete in Europa finden, nicht weniger, und die Spaltung vertiefen. 

Macht die Eurozone Griechenland klar, dass es eine völlig andere Vorstellung von Europa hat, die eher mit seinen Freunden in Russland, Kuba und Venezuela übereinstimmt und es besser die Eurozone verlässt, dann hat Europa ein strategisches Problem. 
Denn vermutlich wird es dann nicht nur die EU-Mitgliedschaft in Frage stellen.  Auch in die NATO gehört Griechenland laut Syriza nicht rein. Vielleicht muss man sich irgendwann mit einem russischen Flottenstützpunkt in Griechenland abfinden. Das wäre eine der möglichen Geldquellen die Griechenland sich erschließen kann. Keine Kredite sondern Einnahmen durch den Wechsel des wirtschaftlichen und militärischen Bündnisses. 
Ein weiterer Alptraum.

Das könnte man jetzt natürlich auch wieder Positiv sehen, in dem man argumentiert, Europa würde dann endlich seine Sicherheitslage klar. 
Ohne ein stabiles Griechenland als Verbündeter ist der gesamte Raum von der den IS und die Hamas unterstützenden Türkei bis zum Balkan, der im Jugoslawienkrieg schon einmal ein Betätigungsfeld für Dschihadisten war, praktisch Durchmarschgebiet bis ins Zentrum Europas. Ob es diese Situation benötigt, damit die europäischen NATO-Länder mehr für ihre Verteidigung tun?

Griechenland wird seine Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht, und unter Syriza schon erst recht nicht, in eine tragfähige und den Haushalt sanierende verändern. Mit oder ohne Schuldenschnitt.

   
Erling Plaethe

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