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Donnerstag, 16. Juli 2015

No-Exit-Klausel

Wenn am Freitag im Bundestag über die das dritte Rettungspaket für Griechenland abgestimmt worden ist, werden so viele Parlamentarier "nein" gesagt haben wie in keiner Abstimmung zur Griechenland-Rettung zuvor. Was völlig logisch ist, denn spätestens jetzt müsste jeder verstanden haben, dass nie über Kredite oder Bürgschaften entschieden wurde, sondern über Hilfen, über Alimente. 
Aber obwohl der Autor dieser Zeilen gegen die ersten beiden Rettungen war, ist er bei diesem Paket dafür. 

Bei den vorangegangenen Abstimmungen, insbesondere bei der ersten, gab es noch die Chance Griechenland klar zu sagen: Tut uns leid, wir können kein Hilfsprogramm beschließen, denn dies würde gegen die No-Bailout-Klausel verstoßen. So wie wir es kürzlich die Bundeskanzlerin in Bezug auf einen Schuldenschnitt immer wieder betonte. Dann wäre vieles anders im Umgang mit dem Hellas-Sozialismus gelaufen. Ob besser, ist schwer zu sagen.

Bei der zweiten Abstimmung ging es schon um Wortbruch, weil entgegen den Versprechungen das erste Hilfsprogramm keine Ausnahme und Einmaligkeit mehr war. Dieses "nein" hätte die Quittung sein müssen für den eingeschlagenen falschen Weg.

Am Freitag wird zwar auf dem falschen Weg vorangeschritten und die Quittung bleibt abermal aus aber, Frau Merkel und Herr Schäuble haben nach Kräften versucht der einst postulierten Alternativlosigkeit eine Alternative gegenüber zu stellen. 


Die Reaktionen auf das Diskussionspapier Schäubles zu einem möglichen Ausscheiden Griechenlands haben einige interessante Erkenntnisse zu Tage gefördert:

Als erste die große Unterstützung für den Vorstoß unter den Regierungen der Euroländer.
Deutschland konnte außer Frankreich, Italien und Zypern alle anderen hinter sich versammeln.

Als zweite, wie groß Frankreichs und Italiens Verständnis für die Winkelzüge von Tsipras ist. Ob das nur eine Mentalitätsfrage oder viel mehr eine letzte Warnung vor einer "immer engeren Union" innerhalb der Eurozone ist, wäre sicher ein interessantes Gesprächsthema zwischen dem britischen Premier und der Bundeskanzlerin.

Als dritte und wichtigste Erkenntnis dürfte jedoch die Unmöglichkeit gelten, irgendein Land aus der Eurozone herauszubitten oder herauszulassen - selbst wenn seine Regierung schon Vorkehrungen trifft. Die Mitgliedschaft im Euro scheint sakrosankt, genau deshalb steht in den Verträgen wohl auch nichts drin von einem Austritt.

Die Option eines Austritts hätte die Eurozone gestärkt und ihrer unvollkommenen Währungsunion mehr Wahrhaftigkeit verliehen. Griechenland hätte trotzdem gerettet werden müssen, doch ohne die Fessel der ungeschriebenen No-Exit-Klausel. Mit einer eigenen Währungspolitik würde ein Schuldenschnitt auch nicht so schnell wieder verpuffen wie der der privaten Gläubiger im Oktober 2011. Die wiedererlangte Eigenverantwortung hätte genutzt werden können, um wirtschaftsliberale Reformen aus eigenem Antrieb umzusetzen - nicht weil sie verordnet werden. Die benötigte Hilfe erhält Griechenland so oder so. 
Es ging diesmal um die Art von Hilfe zur Selbsthilfe.
Dass Frankreich sich in dieser Situation medienwirksam schützend vor Griechenland warf, um genau das zu verhindern, sagt viel über sein hegemoniales Verständnis aus.
Leider ist die öffentliche Wahrnehmung gegenteilig. Nicht nur bei den üblichen Verdächtigen des linken Spektrums in Europa. Auch aus Amerika kommen immer harschere Artikel.

Also warum sollten die Bundestagsabgeordneten ausgerechnet bei dieser Abstimmung die Bundesregierung alt aussehen lassen, wo sie doch bis ans Äußerste gegangen ist und immer noch dafür geschmäht wird? Und Deutschland gar boykottiert werden soll, nur weil unser Finanzminister im Angesicht eines völligen Vertrauensverlustes, der selbst einer noch so wohlwollenden Betrachtung der Intentionen des Verhandlungspartners die Basis für ein weiter-so-auf-diesem-Weg entzieht, eine Alternative sucht. Ja, suchen muss.
Hätte Deutschland allerdings nicht eingelenkt und den Kompromiss nicht mitgetragen, stünden vermutlich jetzt weniger hinter dem Land, welchem Führung angetragen wird.
Wie sehr sich eine Führungsmacht beim führen unbeliebt machen kann, erlebt Deutschland jetzt. Aber übertreiben sollte es auch nicht.

Denn nach wie vor ist es für Deutschland in Europa von Vorteil Alliancen zu bilden, nicht sich zu isolieren.


Erling Plaethe  

1 Kommentar:

  1. All das spricht dafür, jegliches Pathos aus dem "europäischen Projekt" zu nehmen und "Europa" vor allem nüchtern als Institution zur friedlichen Kompromissfindung bei vorliegenden unterschiedlichen nationalen Interessen anzusehen.

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