...

...

Dienstag, 17. November 2015

Deutschland zieht nicht in den Krieg, es soll seinen Partnern helfen.

Deutschland zieht nicht in den Krieg wenn es seine Schönfärberei aufgibt und benennt, womit es Europa zu tun hat. Es geht darum zu analysieren, ob das bisherige Maß an Verteidigung gegen einen aufgezwungenen Krieg ausreichend ist. Ob es angemessen ist und den Solidaritätsbekundungen nicht widerspricht, eine stärkere, eine mutigere Beteiligung an der Eindämmung und möglicherweise Zerschlagung des IS, zurückzuweisen. Was Deutschland von Frankreich (wegen der abwehrenden Haltung der Verteidigungsministerin?) mit der Feststellung des Bündnisfalls für die EU, nicht der Nato, unmöglich gemacht wird. 

Mit "intellektuell wohltuenden" Begründungen die eben einer solchen stärkeren Beteiligung letztlich den Verstand absprechen, den zu besitzen jeder sich in Deutschland wähnt, der es gewohnt ist, nicht nur seine Landesverteidigung von anderen Staaten erledigen zu lassen, sondern auch den Schutz seiner Grenze. Und wenn diese Verteidigung unzureichend ist, weder dem einen noch dem anderen eine angemessene Bedeutung einzuräumen. 
Nicht dass der Artikel von Ulf Poschardt nicht briliant geschrieben ist. Er ist es, keine Frage. Das sind seine eigentlich alle. Nur wirkt dieser wie ein Zugeständnis an die intellektuellen Wellnessfreunde denen bei Matthias Döpfner zum selben Thema wohl weniger wohlig wurde und damit die reflexhafte Handlungsempfehlung für die gesamte europäische Politik wohltuend ausblieb. 
Aber genug gemeckert. Das macht die "Welt" eben aus: Meinungsvielfallt. 

Ich möchte mal die Geschichte des IS kurz zusammenfassen, weil sie oft nur die Lesart kennt, in der Amerika auch für den IS verantwortlich gemacht wird.  
Letztlich ist der IS nicht aus Al-Qaida erwachsen, er war nie sein Ableger sondern immer höchst eigenständig. 
So begann er und so steht er heute da. 
Dazwischen war er Teil Al-Qaidas, aus taktischen und wohl auch finanziellen Gründen. Und er existierte schon vor dem Irakkrieg den Amerika führte, um Saddam Hussein zu entmachten. 
Al-Qaidas Mann im Irak war bis zu seinem Tod Zarqawi. 
Er baute seit 1992 zusammen mit Abū Muhammad al-Maqdisī (wird auch als sein Mentor bezeichnet) die Organisation At-Tauhid wa-I-Dschihad auf. Sein Ziel war, das jordanische Königshaus zu stürzen. Nach einem mehrjährigen Gefängnisaufenthalt (1993-1999) wegen dieses Ziels ging er über Pakistan 2000 nach Afghanistan, wo er engen Kontakt zu Al-Qaida pflegte, ohne jedoch mit seiner Gruppe der Organisation beizutreten.

Die Taliban gestatteten ihm den Aufbau eines Lagers in Herat. Er experimentierte mit Giftgas und galt auch später als der Experte für biologische und chemische Kampfstoffe bei Al-Qaida. 

2001 wurde er wegen Terroranschlägen in Jordanien dort in Abwesenheit zum Tode verurteilt. 
Im gleichen Jahr musste er und seine Gruppe aus Afghanistan fliehen - und ging in den Nordirak. Von Saddam Hussein wurde er zumindest geduldet und der Diktator wird gewusst haben, wem er Unterschlupf in seinem Reich bot. 
Nach seinem Sturz begann Zarqawis terroristisches Wirken im Irak, nunmehr als Anführer von Al-Qaida im Irak, nicht ohne eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren, die sich in einer eigenen Agenda seine Feinde betreffend, ausdrückte. Die sah er nicht nur in den Amerikanern, sondern auch in den Schiiten. Selbst sunnitische Glaubensbrüder wurden schnell zu Totfeinden. 
Eine Agenda die seinen Tod 2006 überdauern sollte. Zunächst aber benannte sich die gewachsene Organisation um in Islamischer Staat Irak (ISI). In den darauf folgenden Monaten gelang es den USA diese Organisation von ihrer sunnitischen Basis zu lösen, im Gegenzug für eine Beteiligung an politischen Entscheidungen. 
Dieser Deal war eine ständige Herausforderung für den gewachsenen iranischen Einfluss der ohnehin schon groß war. Und er führte zu einer erheblichen Schwächung des ISI. Daran waren neben den USA vor allem 70.000 sunnitische Kämpfer der "Räte des Erwachens" beteiligt, die gemeinsam mit den Amerikanern den ISI bekämpften.
Es war der Schlüssel und die praktische Umsetzung dessen, was Ulf Poschardt in seinem Artikel beschreibt. Nachdem dies gelungen schien, lösten die Räte sich wieder auf und der ISI ging nach Syrien. Sein Erstarken ist vor allem dem Iran zu verdanken, weil er durch die schiitische Regierung für eine zunehmende Repression gegenüber der sunnitischen Minderheit im Irak sorgte, die ein Abbild der Herrschaft Saddam Husseins geworden war. Mit dem einzigen Unterschied, dass nun Schiiten über Sunniten herrschten und nicht umgekehrt. 
Dies beunruhigte die sunnitischen Ölstaaten zutiefst. Eine Verschiebung des Kräftegleichgewichts drohte. Durch den Wiederaufstieg des ISI in Syrien und seiner in 2013 vollzogenen Unabhängigkeit von al-Qaida, verbunden mit einem Alleinvertretungsanspruch auf das gesamte Gebiet der Levante, folgte eine erneute Umbenennung in Islamischer Staat Irak und Syrien (ISIS). Und die Wiederbelebung der Verbindung mit den sunnitischen Clans und ehemaligen Baath-Parteigängern. Damit war das Ende eines stabilen Irak und der gesamten Region besiegelt. 
Nun ging es im Irak für die aufständischen Sunniten nicht nur gegen die schiitische Regierung, die den so wichtigen, von Amerika mühsam eingefädelten, Deal verraten hatte, sondern gegen den Iran, der einmal mehr seine expansiven Bestrebungen unter Beweis gestellt hatte. Das mobilisierte wiederum die privaten Geldgeber und Moscheevereine in den Golfstaaten. 
In diese Zeit fällt auch das Zerwürfnis der Arabischen Liga mit dem Iran. 
So wurde aus einem halbwegs erfolgreich stabilisierten Irak das Trümmerfeld, welches heute eine nie dagewesene Terrorbasis zu einem ganzen Staat gemacht hat. Und einen Stellvertreterkrieg zwischen Saudi Arabien und dem Iran. Der sich vom Irak und Syrien bis zum Jemen ausgeweitet hat.

Diese Vorgeschichte ist deshalb nicht ganz unwichtig, weil sie Zarqawis Terroraktivitäten nicht als Ursache des Sturzes von Saddam Hussein durch die Amerikaner verdeutlicht. Und weil die oftmals verkürzte Sichtweise, die Amerikaner seien verantwortlich für das gesamte Desaster in der Region, sich bei genauerer Betrachtung etwas differenzierter darstellt. 
Mit dem verfrühten Truppenabzug setzte schon die Politik des Nachfolgers von G. W. Bush ein. So folgenschwer diese wider der Vernunft erfolgte Entscheidung gegen Bush mit einer Mehrheit der Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus auch war, der IS bekam seine Chance, weil der Iran einen halbwegs demokratischen Irak zu verhindern wusste und in der gesamten Region der schlicht der gefährlichste Staat ist.

Heute ist es ungleich schwieriger die Region zu stabilisieren, ja es scheint unmöglich. 
Deshalb geht es zuerst darum, die Fähigkeiten des IS Angriffe im Westen durchzuführen, zu schwächen und zu unterbinden. Das beschränkt sich nicht auf militärische Operationen, aber ohne sie wird dieses Ziel nicht erreicht werden. 

Wer wie unser Außenminister meint, der Kampf gegen den IS kann militärisch nicht gewonnen werden, muss sich fragen lassen, ob diese Einschätzung nicht in der Realisierung der eigenen, der deutschen Wehrlosigkeit begründet liegt. 
Denn sie wurde von ihm schon in Bezug auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine auf eben diese Adresse projeziert. Ausdrücklich wegen der völligen militärischen Unterlegenheit der Ukraine. 

Vielleicht sind Steinmeiers pazifistische Statements aber auch nur für die deutsche Bevölkerung gedacht. Falls jemand auf die Idee kommen sollte, mit einem höheren Wehretat die deutsche Verteidigungsbereitschaft und Bündnisfähigkeit zu verbessern. 
Solchen Forderungen braucht man sich nicht mehr zu stellen, wenn ersteinmal die großartige und weise Erkenntnis gereift ist, dass Kriege militärisch nicht zu gewinnen sind. Weshalb sie wohl auch ohne Ausnahme sinnlos sind. 
Dumm nur, dass sich diese Weisheit Steinmeiers so geringer Verbreitung in der Welt erfreut. Nicht mal die militärisch noch schwächeren Partner Deutschlands in der Nato können dieser Erleuchtung folgen. 
Vielleicht sind sie einfach noch zu sehr der Vergangenheit verhaftet. 
Seiner Beliebtheit tut es jedenfalls keinen Abbruch und wer weiß, welche Ambitionen daraus noch erwachsen. 

Und mit wen er sie gedenkt umzusetzen. 

Erling Plaethe

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen