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Sonntag, 24. April 2016

Keine Liebe ohne Preis. Über die Sterbehilfe anhand eines bewegenden Artikels aus der NZZ.

Seraina Kobler fragt in ihrem Artikel "Ihr Wille geschehe" für die NZZ: Wem gehört das eigene Leben?
Eine Frage die leicht zu beantworten ist: einem selbst natürlich. Wem auch sonst?
Doch was die Autorin beschreibt ist ein Drama mit Potential zu großem Theater.
Die Frage wem das eigene Leben gehört ist nämlich nur leicht zu beantworten, wenn es um das Leben der Mutter geht, die sich an die Sterbehilfe Exit wendet. Und ihren Tod, besser den Zeitpunkt, selbst bestimmt. 
Ob das Leben ihrer jüngsten Tochter Anna noch ihr selbst gehört, ist schon viel schwerer zu beantworten.

Anna ist nach Japan ausgewandert, vor zwölf Jahren ging sie nach Kyoto und heiratete. Ihre Mutter Dora macht ihr bei bei einem Besuch Annas im Frühjahr Vorwürfe deswegen und im darauffolgenden Herbst meldet Dora bei Exit ihren Sterbewunsch an. Ein paar Monate danach teilt sie der Familie kurzfristig den von ihr gewählten Sterbetermin mit. Auch Anna will kommen, aber ihre Mutter weist sie ab: "Musst du nicht, du weinst sowieso nur, das kann ich nicht brauchen."
Auch ihr Bruder kommt nicht. Nur die ältere Schwester (fast 50) und Freunde schauen Dora bei Kaffee und Kuchen beim Sterben zu.

Sonntag, 17. April 2016

Böhmermann und darüber hinaus

Böhmermann hatte mit der Sendung seines "Gedichtes" zwei populistische (weil von der öffentlichen Meinung getragene) Stoßrichtungen:

Die eine war der von der Kanzlerin im Alleingang eingefädelte Türkeivertrag. Er ist unter den Böhmi-Fans verhasst weil sie den Flüchtlingsstrom gar nicht begrenzen wollen und weil sie niemals mit Erdogan Deals abschließen würden dafür mit Rohani immer. 
Nicht weil die Kanzlerin ihn der EU überhalf, um die (einzig effektive) Schließung der Balkanroute durch Eigeninitiative Österreichs und anderer Länder zu verhindern. Das ist bekanntlich misslungen. Also beides, auch der Türkeivertrag.
Denn auch für den braucht Merkel und die EU die Mithilfe Griechenlands, die sie nicht bekommen. Ohne Griechenland will sie aber keine EU-Politik durchgeführt sehen, als überzeugte EU-Europäerin.

Ich denke Böhmermann wollte sie bloßstellen. Was auch gelungen wäre, hätte sie, wie erwartet, die Ermächtigung zur Verfolgung des §103 nach §104a nicht erteilt.
Sie hätte dann denjenigen geschützt, der den Präsidenten Erdogan zutiefst diffamierte. Und zwar vorsätzlich und in genauer Kenntnis der Folgen. Böhmermann wollte die Kanzlerin zu seiner Marionette machen - sie vorführen. In der Hoffnung, sie gibt der öffentlichen Mehrheitsmeinung nach, so wie sie es (fast) immer tat. Die Kanzlerin Merkel hat sich jedoch verändert, sie ist zur Einzelkämpferin geworden. Sie schreckt nicht mehr vor Alleingängen zurück - so auch im Fall Böhmermann nicht. Ich will letzteres nicht werten, positiv schon gar nicht.

Die zweite Stoßrichtung liegt im Narzissmus Böhmermanns begründet und sucht Aufmerksamkeit um jeden Preis. 
Harald Schmidt hätte so was nicht gemacht, aber der war ja auch ein begnadeter Satiriker. Böhmermann ist nach eigener Aussage kein solcher, sondern macht Quatsch und wurscht ist ihm was für Folgen sein Handeln hat. Zudem wollte er wohl auch mal den Beweis antreten, dass der ÖR kein Staatsfernsehen ist. 
Ist er aber doch (übrigens der einzige Punkt in dem ich mit Erdogan einer Meinung bin) nur hat mal die Kontrolle versagt oder die Kanzlerin sieht einfach dem Ende ihrer Amtszeit entgegen. Da der Medienbetrieb ziemlich links tickt und die Umfragewerte der SPD in den Keller rauschen, kann man das Ganze ebenso als Tritt ansehen.

Samstag, 16. April 2016

Kulturnation Deutschland

Jan Böhmermann fordert mit dem was er und sein Arbeitgeber, das ZDF, unter Satire verstehen, die Kulturnation heraus. Es gibt nicht wenige die sein "Gedicht" weder für Satire noch für Kunst halten.
Ich übrigens auch nicht. 

Deutschland begreift sich nicht nur als Kulturnation, es stellt die Kultur sogar über die Zivilisation. Kultur ist in Deutschland die höchste Form von Zivilisation. Wenn über Amerika gesagt wird es hätte keine Kultur, wird ihm nicht Unzivilisiertheit unterstellt, sondern dass es nicht über den kulturellen Hintergrund einer Nation wie Deutschland verfügt, die seine uralte Kultur zur Veredelung seines hohen Zivilisationsgrades nutzen kann.

Diesen Maßstab im Blick erhebt selbst den Waschbeutel des deutschen Reisenden zum Kulturbeutel. Wer Flüchtlinge nicht abweisen will, weil er meint die Integration zu schaffen, egal wie viele auch kommen mögen, nennt das Willkommenskultur. Selbst negativ konnotierte gesellschaftliche Trends führen zum angeblichen Aufkommen einer Neidkultur. Ohne die Überhöhung zur Kultur, lässt sich wohl keine gesamtgesellschaftliche Relevanz erreichen und erst recht keine der allseits beliebten Nabelschaudebatten führen. 

Kultur in Deutschland ist allumfassend, politisiert von lechts bis rinks und steht für Deutschland wie ein Alleinstellungsmerkmal. Deutschland ist Kultur und Kultur ist was deutsch ist.
Was nicht zur deutschen Kultur gehört aber aus Deutschland stammt, also alles was auch nur im entferntesten mit dem Nationalsozialismus zu tun hat, muss raus, ist Pack und Pöbel, mitunter nicht mal mehr menschlich.
Ihm, dem Nationalsozialismus, wird die Kultur komplett abgesprochen, weswegen es keinen Kulturbruch gab. Nur einen Zivilisationsbruch. Die Kultur hat das ohne Folgen überstanden.

Nun kommt Jan Böhmermann und das ganze Land redet vom Ziegenficken, als wäre es das Normalste in der Welt, pardon, in Deutschland. Oliver Welke in der "heute show":
"Wie stehen wir als Kuturnation zum Thema Ziegenficken? Ich komme aus Ostwestfalen, ich bin da relativ tolerant. Bei uns hieß es immer: Wenn die Ziege damit einverstanden ist."
Das mit dem Einverständnis kommt mir bekannt vor. Damals ging es nicht um Ziegen, sondern um Kinder - in Böhmermanns "Gedicht" kommt beides vor...
Ich kann nur hoffen, dass Deutschland auch diesmal wieder die Kurve kriegt.

Erling Plaethe