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Mittwoch, 3. Juni 2015

Öffentliche Debatte auf deutsch

Um mal gleich mit der Tür ins Haus zu fallen:
Deutschlands Themen-Debattenkultur ist am Boden. Sie findet nicht mehr statt. 
An ihre Stelle ist eine Diskussion getreten, über das was gesagt werden darf und was nicht.
Wer pointiert eine Gegenposition vertritt und diese prägnant zu begründen weiß, wird bezeichnenderweise der Entgleisung bezichtigt. 
Aktuellstes Beispiel nach dem zu Recht preisverdächtigen Artikel über Feminismus von Ronja von Rönne nun ein Interview von Annegret Kramp-Karrenbauer in der Saarbrücker Zeitung.
Dort sagte sie:
Wir haben in der Bundesrepublik bisher eine klare Definition der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau. Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen.
Für diese Aussage, die etwas nicht ausschließen will, nichts vergleicht oder gleichsetzt, sondern auf die beginnende Aufhebung der Definition der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau hinweist, wird sie angegriffen.
Nur unter völliger Missachtung des Prinzips der wohlwollenden Interpretation kann in dieser Aussage eine Unverschämtheit und Beleidigung konstruiert werden.
Genau betrachtet sind die dampfwalzenden Empörungen die beleidigenden Unterstellungen.


Frau Kampe-Karrenbauer hat sich für nichts zu entschuldigen, schon gar nicht für ihre Meinung. Schämen sollten sich ihre Ankläger die mit Schaum vorm Mund gegen politisch Andersdenkende vorgehen und entweder willentlich oder unbewusst ein Diskussionsklima in Deutschland befördern, dass von Duckmäusertum und Gesinnungsschnüffelei geprägt ist.

Dabei scheint überhaupt keine Rolle mehr zu spielen, ob es sich um extremistische Ansichten handelt oder nicht, oder um welche, die manchen einfach nicht in den Kram passen. Andersherum werden Extremisten geduldet und ermuntert, wenn ihre Parolen in die gleiche Kerbe hauen, die die für Fragen der Moral sich zuständig fühlenden Gesinnungsethiker eingeschlagen haben.

So als müsse man mit Herabwürdigungen und Diffamierungen sich der Zugehörigkeit zu einer moralisch überlegenden Oberklasse versichern.
Politiker die jemandem eine Beleidigung unterstellen, der eine Entwicklung vorhersieht, die wegen der Veränderung einer Prämisse möglich erscheint, bewegen sich m.E. im Bereich politischer Willkür.
Hier endet eine jede Diskussion und es beginnt die politische Zensur in Form einer Unterdrückung von Meinungsvielfalt und Meinungsbildung.

Dieser Autor kann sich eine ganze Reihe von Themen vorstellen, über die er nicht reden möchte, weil er sich seine Meinung dazu, aller Voraussicht nach, endgültig gebildet hat. Ob die Mondlandung ein Filmprojekt war, 9/11 ein sogenannter Inside Job oder ob das biologische Geschlecht naturgegeben ist sind für ihn beantwortet. Das kann man aus liberaler Perspektive kritisieren, aber ändern würde es nichts.
Nur ist es ein erheblicher Unterschied was man für sich selbst und in seinem Umfeld praktiziert und was die Öffentlichkeit anbelangt. Noch dazu wenn dies in der Politik passiert. Was ist das für eine unglaubliche Anmaßung anderen mit Methoden des Totalitarismus den Mund verbieten zu wollen! Ja, sie aufzufordern, ihre Meinung zu widerrufen, anstatt sie zur Kenntnis zu nehmen, zu ignorieren oder mit Gegenargumenten zu beantworten.

Zugegeben, der Autor dieser Zeilen vertritt exakt die im Interview geäußerte Ansicht von Frau Kramp-Karrenbauer. Aber, er kann ebenso die Argumente verstehen, mit der gleichgeschlechtliche Paare alles das für sich beanspruchen wollen, was eine Ehe ausmacht. Bis hin zum Adoptionsrecht, was den eigentlichen Grund für die Unterscheidung zwischen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und der Ehe ausmacht. Und wohl auch die Empörung.
Inwiefern nämlich das Kindeswohl bei der Forderung nach Adoption im Mittelpunkt steht, wird sehr unterschiedlich gesehen. Wie auch die Ausgestaltung des Sexualkundeunterrichts an Schulen.
Beide Themen haben durch die Gender Studies eine sehr dynamische Entwicklung erfahren die die Bedeutung von Mutter und Vater für die Erziehung von Kindern auf eine gesellschaftliche Rollenverteilung reduziert, der eine Geschlechterdiskriminierung zugrunde liegt.
Durch diese Verknüpfung wird der klassische Familie unterstellt, sie bilde die Basis für die Diskriminierung aller anderen Partnerschaften.
Deshalb die Forderung nach der "Ehe für alle". Und deshalb auch die Erregung in der Diskussion. Sie ist ideologisch vergiftet. Die Ehe und die Bedeutung von Mutter und Vater für die Erziehung der Kinder sollte getrennt von dem Umgang mit gleichgeschlechtlichem Zusammenleben betrachtet werden.

Die Theorie der Geschlechterzuweisung durch die Kultur und die Gesellschaft trifft auf mehr Widerstand als andere Theorien, welche die westlichen Gesellschaften zur Zeit bewegen und verändern. Der Atomausstieg, der Ausbau des Sozialstaats und die Verherrlichung des Kollektivs, bei gleichzeitiger Stigmatisierung des Individualismus, stoßen auf recht wenig Widerstand.
Nur bei den Gender Studies scheint die Transformation der Gesellschaft ins Stocken zu geraten.

Starken Frauen wie Annegret Kampe-Karrenbauer kann man nur wünschen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Solange sie gehört werden ist eine öffentliche Diskussion möglich, auch wenn sie nicht geführt wird. Aber vielleicht findet die ja irgendwann wieder statt, wenn sich eines Tages in Deutschland die Zivilisiertheit über die Kultur erhebt und Umgangsformen gesellschaftliche Akzeptanz finden, die dem Recht auf freie Meinungsäußerung seinen, in einer aufgeklärten, westlichen Zivilisation gebührenden Platz zugesteht.

Erling Plaethe



 

7 Kommentare:

  1. Der Kommentierende vertritt nicht die von Frau Kramp-Karrenbauer im erwähnten Interview vertretene Ansicht. Ganz im Gegenteil. Aber er vertritt die Ansicht, dass Frau Kramp-Karrenbauer jedes Recht der Welt hat, diese Ansicht zu äußern, ohne dafür angegriffen zu werden. Eine Auseinandersetzung, eine Diskussion kann über die Ansicht geführt werden - natürlich sollte man auch Widerspruch äußern, wenn er angebracht ist. Aber ein dermaßen dreister ad-hominem-Angriff, wie er mittlerweile von interessierter Seite durchgeführt wird, ist einfach unsäglich.

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  2. Wo fand im beschriebenen Zusammenhang ein argumentum ad hominem statt? Ich kann es nicht erkennen. Ganz ehrlich, lieber adder.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Argumentum_ad_hominem#Schema

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    1. Lieber Erling Plaethe, vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Ich meinte die Angriffe auf Frau Kramp-Karrenbauer (und auch Ronja von Rönne). Was da so in den Kommentarspalten und von einigen Journalisten zusammengeschrieben wird, ist ein direkter, persönlicher Angriff, der aber auch gar keinen Bezug zum Argument hat.

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  3. nachdenken_schmerzt_nicht5. Juni 2015 um 10:00

    Danke lieber Erling für diesen Kommentar.

    Eine ernsthaft interessante Frage finde ich:

    Was würde geschehen, wenn Redaktionen und Meinungsäußernde einfach nicht vor dem "shitstormenden Netzpöbel" kuschen, sondern weiter unbeirrt, argumentativ ihren Weg gehen würden?

    Vielleicht würden dann die Lauten merken, dass sie zwar laut aber nicht immer "viele" sind.

    Herzlich


    nachdenken_schmerzt_nicht

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  4. Kuschen geht gar nicht. Aber die Ansichten sind schon recht unterschiedlich.
    Die klassischen Ehe ist nur ein Modell unter vielen. Single-Haushalte nehmen immer mehr zu.
    Und es wird nicht mehr vordergründig wegen des Kinderwunsches geheiratet.
    Die Ehe hat sich davon regelrecht entkoppelt. Kampagnen wie "Ehe für alle" bauen auf dieser Entwicklung auf, weil sie Teil einer Individualisierung innerhalb der Gesellschaft ist. Und viele der Individualisten verstehen die ganze Aufregung nicht - auf beiden Seiten.
    Deswegen halten sie sich raus.

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    1. nachdenken_schmerzt_nicht7. Juni 2015 um 18:57

      Ich meinte mit Kuschen, dass "Einziehen" der Meinung aufgrund von möchtegern moralischen Druck.

      Es geht nicht um die Meinung oder um den Standpunkt. Was die Ehe ist, darf jeder für sich selbst entscheiden. Es geht um das Jakobinerturm und wie die Menschen davor Einknicken.

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  5. Ja natürlich, lieber nachdenken_schmerzt_nicht. Nur denke ich, dass es gar nicht viele gibt, die kuschen. Sondern sich mit den Jakobinern nicht auseinandersetzen, weil sie die Angegriffene nicht nur nicht verteidigen wollen, sondern in der Sache die "Ehe für alle" unterstützen. Da wird dann nicht so genau gelesen ob Frau Krampe-Karrenbauer überhaupt den ihr unterstellten Vergleich getätigt hat. Dann liest man noch von der Klage wegen Volksverhetzung und denkt: na, irgendwas wird wohl dran sein.
    Also eher Ignoranz und Gleichgültigkeit. Beides führt natürlich zum selben Ergebnis als wenn sie kuschen würden.

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