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Sonntag, 20. Dezember 2015

Deutsch-sein, was das für mich ganz persönlich ist (und war)

Auf Tichys Einblick läuft gerade eine Volksbefragung. Ich hab' dran teilgenommen und veröffentliche hier meine Antwort:

Mein Deutsch-sein beginnt spät, ich wuchs ohne Nationalität auf. Meine Muttersprache ist deutsch, aber mein Land war als Gegenentwurf zu Deutschland gegründet worden. Als eine Art Antideutschland. Deutschland war dort schon als Name ein Tabu. Es stand für das dritte Reich. Heimatgefühle für die DDR, in der ich geboren wurde, konnte ich nie entwickeln. Ich wollte weg, immer nur weg aus dieser Enge.


Die Erkenntnis deutsch zu sein, wurde von außen an mich herangetragen. Während eines Urlaubs mit meinen Eltern in Polen Anfang der 70er zum Beispiel. Plötzlich wurde unterschieden zwischen uns Deutschen und den Russen. Das war neu für mich. Und was noch schlimmer war: Gemeinsamkeiten wurden benannt.
Aber wir sind doch aus der DDR? Ja, Deutsche seid ihr aber trotzdem!

Dann reiste ich Ende der 70er das erste Mal nach Ungarn und wurde konfrontiert mit der dortigen selbstverständlichen Gewissheit, die deutsche Teilung sei ein vorübergehendes Phänomen. 

Du hast es gut, irgendwann bist du Bürger dieses Wirtschaftswunderlandes wurde mir immer wieder gesagt. 

Ein paar Jahre später In Rumänien lernte ich die damalige bittere Armut kennen, welche mich als DDR-Bürger richtig wohlhabend erscheinen ließ. Ich machte die Bekanntschaft anderer Deutscher in Siebenbürgen, die Wurzeln pflegten welche bei mir nur als Keime vorhanden waren.


Es waren vor allem Ausländer die mir bewusst machten, dass ich Deutscher bin.

So wuchs in mir das Interesse für das originale Deutschland und es stieg die Verachtung für das Feldexperiment DDR. Nachdem mich die Versuchsleiter gehen ließen, begann für mich die Assimilierung einer Nationalität, die, wie ich von anderen erfahren hatte, meine sein musste. Ich war bereit mir Mühe zu geben, änderte meine Wortwahl und Teile meiner Gepflogenheiten. Ich passte mich an, weil ich dazugehören wollte. 
Das war in Berlin keine sehr große Herausforderung, in anderen Teilen Deutschlands hätte ich mir bestimmt mehr Mühe geben müssen.

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Spekulationen über Kriegsziele und Bodentruppen in Syrien und dem Irak

Mein geschätzter Kollege Werwohlf fragt heute in seinem Beitrag "Krieg?" nach dem Ziel der deutschen Hilfestellung für Frankreich und der westlichen Verbündeten im Kampf gegen den IS. Oder, anders ausgedrückt: Im Krieg gegen den internationalen Terrorismus.
Diese Frage muss unbedingt gestellt und, was noch viel wichtiger ist, sie muss beantwortet werden.

Die Antwort liegt in der von Frankreich eingebrachten und verabschiedeten UNO-Resolution. Es solle der sichere Hafen zerstört werden, den der IS in Syrien und dem Irak aufgebaut hat, heißt es dort:
"...to eradicate the safe haven they have established over significant parts of Iraq and Syria;"
Es ist somit das gleiche Ziel wie einst gegen Al-Qaida in Afghanistan.

Der Krieg gegen den internationalen Terrorismus entzieht sich einem klar definierten Ende. Somit wird das Ziel auch davon unabhängig benannt. Das unterscheidet ihn von anderen Kriegen. Setzt man die Maßstäbe geführter Kriege zwischen Staaten an, so muss man feststellen, dass sie nur schwerlich anwendbar sind im Krieg gegen den IS (als Fortsetzung dessen gegen Al-Qaida). 
Aber, im Gegensatz zu Al-Qaida, ist der IS organisiert wie ein Staat.
Genau das aber erleichtert die Beantwortung der Frage nach dem Ziel nicht, weil dieser Staat keine anerkannte Grenze besitzt und kein eindeutiges Staatsvolk. Die Zugehörigkeit zum IS geschieht nicht durch eine beurkundete Einbürgerung und der Ausgabe von Pässen. Die Angehörigen des IS geben sich nicht als solche zu erkennen, und wenn, werden sie nicht ernst genug genommen. Schließlich erkennt kein Staat der Welt den IS an. 
Trotzdem existiert er. 
Weshalb der Verweis auf die Zerstörung des sicheren Hafens immer auch den Einsatz von Bodentruppen in den Focus rückt, genau so wie dies in Afghanistan der Fall war. Die Bewertung des Afghanistan Einsatzes hat sich allerdings längst gelöst von seinem ursprünglichen Ziel und wich einem Wunsch nach Demokratisierung einer Stammesgesellschaft. Hier liegt die Ursache für  ein Scheitern des Westens. Denn der Einsatz der Bodentruppen sollte auch diesem Ziel dienen.
Das Ziel der Zerstörung eines sicheren Hafens für Al-Qaida wurde aber erreicht. 

Ich zitiere die NZZ:
Grossbritannien unterstütze den französischen Entwurf sehr, weil er bei Fragen nicht ins Detail gehe, zu denen Ratsmitglieder unterschiedliche Meinungen hätten, sagte Rycroft. 
Die Situation im Irak und Syrien gibt nicht mehr her. Dennoch ist es im Krieg gegen den internationalen Terrorismus der wichtigste Punkt: einen sicheren Hafen für Organisationen und Staatsgebilde zu zerstören, die Teil des internationalen Terrorismus sind und eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellen. 
Wie weit letzteres zutrifft, entscheidet in schrecklicher Weise auch darüber, ob ein solcher sicherer Hafen geduldet oder sogar gefördert wird - in der Hoffnung diese potentiellen Kleinststaaten würden von ihrem Terror gegen die unmittelbaren Nachbarstaaten eines Tages absehen.
Im Fall des IS ist mit den Angriffen auf Paris deutlich geworden, dass dies, wenn es Europa betrifft, langfristig keine Option ist. Bei Israel werden leider andere Maßstäbe angesetzt.