...

...

Samstag, 13. Februar 2016

Das Partner-Problem des Westens in Syrien

Beinah jede Diskussion darüber, ob der Westen in den syrischen Bürgerkrieg eingreifen sollte oder nicht, mäandert meist solange herum bis sie zur der pragmatischen Frage kommt, wer von den Kriegsparteien, oder Rebellen, überhaupt ein Partner für den Westen sein könnte.
Wer also keinen Gottesstaat errichten will und Assad, IS und Al-Qaida (Al-Nusra-Front) bekämpft. Vom ernstzunehmenden Willen demokratische Verhältnisse aufbauen zu wollen mal ganz abgesehen.
Die Freie Syrische Armee kooperiert zu stark mit der Al-Nusra-Front, wie auch die anderen sunnitischen Milizen die gegen den IS kämpfen deswegen noch lange nicht als gemäßigt gelten.

Der einzige Partner den der Westen nach langer, langer Suche in Syrien gefunden hat, sind die Kurden der YPG. Die bekämpfen zwar recht erfolgreich den IS aber gehen nicht (mehr) gegen Assad vor. Und sie sind mit der PKK verbunden die als terroristische Organisation gelistet wird. Zudem gibt es wegen der Unterstützung der YPG ständig Spannungen innerhalb der NATO mit der Türkei. Die gab es zwar auch als diese indirekt des IS unterstützte aber nun spitzt sich der Streit zu.

Denn Russlands Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg lief von Beginn an gradliniger und kalkulierter ab. Zunächst einmal hat Russland Partner, die seinem eigenen Schwergewicht noch mehr Bedeutung verleihen: Der Iran, seine paramilitärischen Einheiten der Hisbollah und die Reste der syrischen Armee von Assad, der immer noch Präsident Syriens ist. Und der jedem militärischen Einsatz, wenn es keine Aggression sein soll, zustimmen muss.
Damit nicht genug. Russland macht auch noch dem Westen seinen einzigen Partner streitig, in dem es geschickt den provozierten Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei nutzt, um den syrischen Kurden zu helfen an der Grenze zur Türkei ein durchgängiges Autonomiegebiet zu etablieren. Es gab bereits letztes Jahr Gespräche im Moskauer Außenministerium mit Vertretern der syrischen Kurden.

Der Grund für die Unterstützung des IS durch die Türkei lag vor allem in der Verhinderung dieser sich anbahnenden Situation. Putins Worte, die Türkei würde den Abschuss noch bitter bereuen, nehmen jetzt konkrete Züge an. Denn die kurdische Autonomieregion Rojava hätte eine Schutzmacht mit der sich die NATO nicht anlegen wird. Und die Türkei kann nichts, aber auch gar nichts, dagegen tun. Was das Verhältnis Europas zur Türkei keinesfalls einfacher machen wird. 

Dass dem Westen nun auch dieser Partner abhanden kommt, liegt allerdings nicht nur an den brillanten wie skrupellosen strategischen Fähigkeiten von Putins Russland.
Einiges ist auch hausgemacht.


Angefangen mit Obamas Nahostpolitik und dem was er als Einflusssphäre des Iran bereit ist anzuerkennen. Und was er und die Regierungschefs von China, Frankreich, Russland, Großbritannien  + Deutschland unter einem Gleichgewicht zwischen Schiiten und Sunniten in der Region verstehen. Der "Joint Comprehensive Plan of Action" umgangssprachlich auch "Atomdeal" genannt, sollte den Iran zurück an den Tisch konstruktiver Verhandlungen bringen und Amerika ermöglichen, seinen Einsatz in diesem Gebiet zu reduzieren, militärisch und damit finanziell.

Dieses sich abzeichnende Machtvakuum wurde sofort von Russland besetzt. 
Der Iran hat mit dem Abschluss der Vereinbarung und der Freigabe von Geldern im dreistelligen Milliardenbereich nun die Mittel zur Verfügung, welche ihm so sehr fehlten um seine Macht in Syrien auszubauen. 
Für ihn ist das ein langfristiges Projekt, das mit dem Tod von Hafiz al-Assad begann. Der Vater Baschar al-Assads war nie die Marionette Irans zu der sein Sohn wurde.
Die Sanktionen gegen den Iran brachten das Regime Baschar al-Assads an den Rand des Zusammenbruchs, der durch den militärischen Lufteinsatz Russlands vorerst abgewehrt wurde.

Auch wenn der Iran solch einen Zusammenbruch wie den eigenen ansieht, benötigt er für seine Bodentruppen in Syrien erhebliche finanzielle Mittel (über das militärische Engagement des Iran hier ein Bericht der DW aus 02/13 und einer des CNSS an der Führungsakademie der Bundeswehr). 
Mit der Aufhebung der Sanktionen kann nun der Iran als Verbündeter Putins seine Macht am Boden ausbauen. Die Kommandeure der iranischen Revolutionsgarden haben längst die Reste der syrischen Truppen in ihre Einheiten integriert. Dort kämpfen neben der Hisbollah aus dem Libanon, der Revolutionsgarden auch Schiiten aus Afghanistan.

Diese Umstände erklären die militärischen Zugewinne der "Regierungstruppen", die dem deutschen Leser und Hörer als Erfolge des Assad-Regimes verkauft werden, um die Rolle des Iran in Syrien nicht thematisieren zu müssen. Aber auch die vorsichtige Kritik an Russland wird von den allgegenwärtigen Putin-Fans und Friedensaktivisten mit dem Verweis auf die kontraproduktiven Sanktionen abgebügelt. 
In der Tat, warum die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden und die gegen Russland nicht, wird immer schwerer zu vermitteln sein.

Irgendwann wird dem Iran in Syrien der Westen auch noch den IS vom Hals geschafft haben. So wie auch im Irak. Bis dahin wird es sicher ebenso wenig für den Iran ein Problem sein, sich mit dem IS zu arrangieren, wie es dies bisher für Assad war.
Eine Idee, die übrigens gerade von Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, ins Spiel gebracht wurde. Ja, man kann's kaum glauben, ist aber so. 
Ohnmachtskonferenz wäre ein passenderer Name.

Obamas Idee das Kräfteverhältnis im Nahen Osten zugunsten des Iran zu verändern, erzeugt nicht nur mehr Tote, mehr Leid und mehr Flüchtlinge. Es führt zu einer Entscheidung, die der Westen seit Ausbruch des Bürgerkriegs und seiner Eskalation nicht treffen wollte, weil er diese nicht treffen konnte: 
Zwischen dem Assad-Regime und dem IS wählen zu müssen.

Grotesker Weise appelliert nun der Westen an die Russen, welche gerade die Zivilisten in Syrien bomben und die Iraner die sie am Boden töten oder vertreiben, mäßigend auf Assad einzuwirken. Der  Assad, der in seinem Land überhaupt nichts mehr zu sagen hat, weil die Geschicke Syriens längst Russland und der Iran lenken.
Beide Länder werden so de facto zu Partnern des Westens. 

Damit die Situation nicht so jämmerlich kommuniziert werden muss, wie sie sich auf den Schlachtfeldern Syriens darstellt, wird so getan, als wäre Assad noch ein Präsident mit Macht und Einfluss.
Wen das an die Ukraine erinnert und die steinmeiernden Appelle an Russland, doch bitte mäßigend auf die Separatisten in Donezk und Lugansk einzuwirken, täuscht sich nicht. Die Separatisten dort haben in etwa die Position welche Assad in Syrien ausfüllt.

Seit der Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran zieht sich eine Schleimspur durch Europa wo immer Präsident Rohani willkommen geheißen wird. Da kann er und sein Chef noch so viel wüten über den Satan Amerika und den schädlichen Einfluss des Westens, noch so oft Israel mit Vernichtung drohen, sich über den Holocaust lustig machen und ihn in Frage stellen - egal. 
Er wird als Partner in Italien und Frankreich herzlich begrüßt und bald vielleicht auch in Deutschland. Wie sehr er und das Staatsoberhaupt des Iran den Westen auch hasst.

So stehen wir da in Europa: Verneigend vor denen, die einen hybriden Krieg gegen uns führen und Millionen von Flüchtlingen aus Syrien treiben.
Und anscheinend völlig ahnungslos, was der Rückzug Amerikas für unsere Verteidigung bedeutet.

Mit Sicherheit nicht genügend Zeit für die Soldaten der Bundeswehr Flüchtlinge in Berufen auszubilden.
 
Erling Plaethe







3 Kommentare:

  1. Interessante Analyse, die ich zu weiten Teilen unterschreiben kann. Im jüngsten gedruckten "Spiegel" steht auch ein interessanter Artikel zum Thema, in dem auch festgestellt wird, dass die angeblichen "Regierunstruppen" inzwischen vor allem aus schiitischen Söldnern bestehen (Afghanen, Iraker, auch Pakistanis), die unter iranischem und jetzt sogar russischem Befehl kämpfen.

    Demnach besteht die Strategie Russlands darin, die "gemäßigte" Opposition (die von dir genannten Zweifel sind berechtigt) zu beseitigen, um den Rest der Welt vor die Alternative "Assad oder IS" zu stellen, in der Assad dann wie das kleinere Übel erschiene.

    Ein Punkt geht mir in den Debatten aber immer verloren. Ein Punkt, der beim Thema "Naher Osten" immer mitgedacht werden muss: Israel. Israel ist ein wichtiger Grund, warum die USA zögern, aktiver in den Krieg einzugreifen, denn ein stärkeres Engagement der USA oder "des Westens" zugunsten irgendeiner Partei würde die anderen Parteien sofort dazu bewegen, den Konflikt zu einem Heiligen Krieg auszuweiten, in den dann unweigerlich auch Israel mit hineingezogen würde. Was wiederum die Gegner Assads in Saudi-Arabien in eine missliche Lage bringen würde. Schon Saddam hat mit dieser Taktik operiert, und in dieser Situation wäre sie noch viel wirkungsvoller. Umgekehrt wird Israel jetzt vor allem in Ruhe gelassen, um die USA eben nicht zum Eingreifen zu provozieren. Bei aller Skepsis gegenüber Obama und dessen Haltung zu Israel kann ich mir nicht vorstellen, dass solche Überlegungen keine Rolle spielen.

    AntwortenLöschen
  2. Vielen Dank für Deine Antwort, Du hast völlig recht, Israel fehlt bei diesen Überlegungen regelmäßig. Dennoch ist ja das angespannte Verhältnis zwischen Netanjahu und Obama bekannt, welches seinen negativen Höhepunkt mit der Verhandlung und der Umsetzung des Joint Comprehensive Plan of Action fand.
    Kein Staatschef hat mehr auf die Gefahr eines erweiterten Einflusses des Iran in der Region hingewiesen, weil sich Israel über die Hisbollah und die Hamas permanent mit Irans terroristischen Ablegern im Krieg befindet. Diese Situation hat dieser Plan verschärft. Noch als Russland in der Vorbereitung für sein militärisches Eingreifen in Syrien stand, ist Netanjahu deshalb nach Moskau gefahren, um eine Vereinbahrung bezüglich des syrischen Luftraums zu treffen, der nun von Russland verteidigt und genutzt wird.
    Diese soll so aussehen, dass, wenn Israel im syrischen Luftraum Einsätze zum Schutz seiner Grenzen fliegt, Russlands Kampfjets am Boden bleiben und umgekehrt. Darüber hinaus sucht Israel die Beziehungen zu Russland zu verbessern, was dort sehr begrüßt wird.
    Der Westen und damit ist ausdrücklich auch Europa gemeint treibt somit den wichtigsten Verbündeten in der Region in die Arme Russlands.
    Das hat in der Tat in meinem Artikel zum Partner-Problem gefehlt.
    Israel kann sich zudem auch der stillen Unterstützung der arabisch-sunnitischen Länder sicher sein, die Teil der von den USA angeführten internationalen Koalition im Kampf gegen des IS sind. Diese Länder sehen sich von den USA im Stich gelassen. Russlands Einfluss auf die Region, der auch in den Irak reicht, hat Amerikas in großen Teilen ersetzt. Geht es irgendeinem Land in der Region um den Umgang mit den iranischen Hegemonialbestrebungen, wird es zukünftig in Moskau statt in Washington an die Tür klopfen müssen, Amerika inklusive.
    Das ist das außenpolitische Erbe Obamas.

    AntwortenLöschen
  3. Hier noch als Ergänzung ein sehr lesenswertes Interview mit dem israelischen Verteidigungsminister. Die eigenartige Fragestellung der "Welt"bzw. von Hr. Lehnartz spiegelt gut das arrogante Unverständnis der Lage im Nahen Osten wieder. Eigentlich schade, bedenkt man was für hervorragende, außenpolitische Analytiker (Clemens Wergin, Richard Herzinger) die "Welt"hat.
    http://www.welt.de/politik/ausland/article152236358/Rufen-Sie-an-wenn-McDonalds-in-Teheran-oeffnet.html

    AntwortenLöschen