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Sonntag, 26. Juni 2016

Verloren ist verloren, wiederholen ist gestohlen.

Ich bin grundsätzlich gegen direkte Demokratie und fühle mich in diesen Tagen nach dem britischen EU-Referendum in meiner Ablehnung aufs Neue bestätigt.
Der Souverän sollte dieses Mittel der politischen Einflussnahme unbedingt beanspruchen, das ist nicht Problem. Es geht mir um die Frage, ob er mit diesem Mittel auch souverän umzugehen vermag.

In der Schweiz ist dies zweifellos der Fall. Nach einem Referendum um ein bestimmtes Thema ist der Fall abgeschlossen, egal wie knapp es ausgeht. Die Regeln, unter welchen Bedingungen es Gültigkeit erlangt und für wen es bindend ist, stehen im vornherein fest und diese Regeln werden nicht nur vor der Abstimmung akzeptiert, sondern auch danach. Die Schweiz hat Erfahrung mit Referenden weil die direkte Demokratie seit jeher eine tragende Säule ihres politischen Systems darstellt. Dieses Land ist politisch gelebte direkte Demokratie.

Die Einzigartigkeit der schweizerischen, politischen Zivilisation (manche mögen an dieser Stelle lieber den Begriff Kultur verwenden) wird meines Erachtens stark unterschätzt. Immer dann wenn Referenden in repräsentativen Demokratien mit geringer plebiszitären Erfahrung abgehalten werden.
Abgesehen davon, dass im linken politischen Spektrum westlicher Demokratien Niederlagen bei Abstimmungen nicht ohne weiteres eingestanden werden, bleibt bei einem knappen Ausgang rund die Hälfte der Abstimmenden als Verlierer zurück.
In einer zuvor oft emotional geführten, weil mobilisierenden Debatte, nehmen die Abstimmungsteilnehmer die gesamte Kampagne irgendwann als Kampf wahr. Es werden persönliche Angriffe wie politische Zuspitzungen moniert. Die Gesellschaft wird umso stärker polarisiert, je höher die Wahlbeteiligung ist. Und sie soll hoch sein, wegen der Legitimität des Referendums.
Bei einer Wahlbeteiligung von 72% wie jetzt in GB wurden deutlich mehr Wähler mobilisiert, als bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr, obwohl die Wahlbeteiligung nach 2010 noch einmal auf 66,1% stieg.
Die Frage ob das Land in der EU bleibt oder nicht interessierte also mehr Wähler als die Frage wer sie regieren solle.

Es ist klar, dass die Unterlegenen bei solch einer sie direkt betreffenden Frage betroffener sind, als wenn die Partei ihrer Wahl unter dem erwarteten Abstimmungsergebnis geblieben wäre. Hinzu kommt, dass es für "ihre" Partei eine zweite Chance bei der nächsten Wahl geben wird. 
Nicht so bei einem Referendum. Abgestimmt ist abgestimmt, Frage geklärt und beantwortet. In leichter Abwandlung eines Kinderspruches:

Verloren ist verloren, wiederholen ist gestohlen.