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Sonntag, 29. März 2015

Das Emotionale der Formel 1

Ein Indikator für gute Unterhaltung ist die Empfindung von geweckten, erzeugten Emotionen. Auch um das zu erleben gehen Leute ins Kino, ins Theater und in die Oper.
Oder sie schauen Formel 1. 
Wenn die Tränen rollen und man überwältigt ist von der Außergewöhnlichkeit des Geschehens dem man gegenwärtig wird, ist das Erlebnis stark genug um anzudauern. Nicht nur in diesen Stunden, sondern darüber hinaus den ganzen Tag. Solche Erlebnisse werden Teil der eigenen Erinnerung an große Momente.

Heute war solch ein großer Moment. Sebastian Vettel hat nach einer Saison, in der für ihn nichts mehr lief, in der eine neue Motorengeneration Einzug in die Formel 1 hielt und sein ehemaliger Rennstall mit Renault keine Konkurrenz mehr für die Überlegenheit von Mercedes-Benz darstellte, ein grandioses Comeback performt.

Ferrari war in dieser für Vettel demütigenden Saison schon erst recht kein Gegner für die Silberpfeile. Immerhin kam Vettels damaliger Teamkollege, Daniel Ricardo, wenigstens noch in der Gesamtwertung auf Platz 3. Ferrari dagegen schloss mit einem 6. Platz die WM ab. Ohne einen einzigen Sieg.

Nun ist Vettel bei Ferrari, kommt im ersten Rennen auf Platz 3 und im zweiten auf Platz 1.
Nicht das Mercedes-Benz langsam geworden ist, keineswegs. Sie haben immer noch die schnellsten Autos und die besten Motoren. 

Was ihnen jedoch heute beim Großen Preis von Malaysia im Weg stand, war die wohl nur schwer zu vermeidende Hybris des immer Siegenden. 
Beim Start konnte Vettel nur mit Mühe seinen zweiten Platz vor Rosberg behaupten. Er schnitt ihm innen den Weg ab, sonst wäre Rosberg vorbei gewesen und das Rennen hätte eventuell einen ganz anderen Verlauf genommen. 
Hamilton fuhr vorne davon, wenn auch Vettel besser mithalten konnte als in Australien. Bei Ferrari hat sich etwas bewegt. Der Klassenunterschied zu Mercedes-Benz ist nicht mehr so groß wie im letzten Jahr.

Aber dann kam nach nur sechs Runden, wegen eines Unfalls, das Safety Car heraus, was immer mit der Aufhebung von herausgefahrenen Vorsprüngen einhergeht. Üblicherweise nutzen die Teams diese Situation um einen Boxenstopp vorzuziehen, da der Zeitverlust von ca. 20 Sekunden durch das abgebremste Rennen lange nicht so ins Gewicht fällt wie im offenen Rennen.
Also eine Standardprozedur. 
Allerdings hat Ferrari seit Beginn dieser noch sehr jungen Saison aufhorchen lassen: Mit sehr guten Zeiten in der Vorbereitung und in den Qualifikationen zu den ersten beiden Rennen.
Anstatt also den Newcomer Ferrari mit dem Newcomer Vettel ernst zu nehmen und in der Führung liegend zu warten was Ferrari macht, fuhren beide Mercedes in die Box und Vettel blieb im Rennen. Nach sechs gefahrenen Runden ist der Vorteil eines Reifenwechsels während einer Safety-Car-Phase  sowieso schon gering.  Aber er kann sich zum Nachteil drehen, wenn der Konkurrent die Gelegenheit zu einem Strategiewechsel nutzt. 
Und einen Piloten im Rennen hat, der eine 2-Stop-Strategie gegen eine 3-Stop-Strategie auch fahrerisch umsetzen kann. Dazu gehört die Reifen zu schonen und trotzdem schnell zu sein.
So kam Vettel auf Platz 1 und verteidigte diese Position mit seinem Team strategisch klug bis zum Ende des Grand Prix.

Vettel ist nicht viermaliger Weltmeister geworden, weil er in dem besten Auto saß. Sondern weil er fahren kann. Wenn er top motiviert ist.
Und wie er das ist, hat man heute nach seiner siegreichen Beendigung des Rennens erleben können. Von Emotionen überwältigt, mit der allgegenwärtigen Erinnerung an den größten Rennfahrer aller Zeiten in dessen Fußstapfen Vettel jetzt auch mit seinem neuen Auto getreten ist, überwältigte ihn seine Freude über diesen Sieg. 
Und eines der großartigsten Comebacks der Formel 1 Geschichte.

Da laufen auch bei mir die Tränen. Es ist eine Freude zuzuschauen, wie für einem so sympathischen Spitzensportler aus dem Geburtsland des Automobiles nach seinen vielen Erfolgen erneut ein Traum in Erfüllung geht. 
Oder besser: Der phänomenale Beginn.

Warum Vettel Mercedes-Benz einen Korb gegeben hat ist klar. Abgesehen von der wohl wenig verlockenden Aussicht auf eine Stallorder-Beziehung mit Hamilton als Neuauflage derjenigen mit Mark Weber, die sicher einen Beitrag seiner Entfremdung mit Red Bull leistete.
Ferrari ist etwas Besonderes. 
Das gilt zwar auch für Mercedes-Benz. Aber spätestens seit Michael Schumachers Liaison mit den Italienern ist es für einen deutschen Rennfahrer die Herausforderung schlechthin: 
Mit einem Ferrari zu gewinnen.

Mit dem Silberpfeil dieser Tage kann das (fast) jeder.

Erling Plaethe

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