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Donnerstag, 12. März 2015

Lehrerinnen mit Kopftuch

Morgen wird laut "Tagesschau", die sich wiederum auf die linke "tageszeitung" beruft, ein Urteil zum Kopftuchstreit gefällt, dass schon am 24. September 2003 so begründet wurde wie es vermutlich auch morgen vom BVerfG begründet werden wird. Und nicht korrigiert, wie die "Tageschau" ähnlich frohlockend behauptet wie die "tageszeitung".
Ich will mich hier nicht lange wundern, warum die "Tagesschau" diesen, den Kulturkampf herbei schreibenden, Artikel in ihrer Hauptsendung bringt. Exklusiv und trotz der Bitte des BVerfG bis zur Bekanntgabe des Vollständigen Urteils zu warten.

Vielmehr möchte ich aus dem Urteil von 2003 zitieren, weil schon damals, ebenfalls entgegen der Meldung der "Tagesschau", ein generelles Verbot als verfassungswidrig begründet wurde.
Denn das BVerfG sah damals schon das Kopftuch nicht als "ein nicht aus sich heraus religiöses Symbol" an:
Das von Musliminnen getragene Kopftuch wird als Kürzel für höchst unterschiedliche Aussagen und Wertvorstellungen wahrgenommen:
Neben dem Wunsch, als verpflichtend empfundene, religiös fundierte Bekleidungsregeln einzuhalten, kann es auch als ein Zeichen für das Festhalten an Traditionen der Herkunftsgesellschaft gedeutet werden. In jüngster Zeit wird in ihm verstärkt ein politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gesehen, das die Abgrenzung zu Werten der westlichen Gesellschaft, wie individuelle Selbstbestimmung und insbesondere Emanzipation der Frau, ausdrückt. Nach den auch in der mündlichen Verhandlung bestätigten tatsächlichen Feststellungen im fachgerichtlichen Verfahren ist das jedoch nicht die Botschaft, welche die Beschwerdeführerin mit dem Tragen des Kopftuchs vermitteln will.
Die in der mündlichen Verhandlung gehörte Sachverständige Frau Dr. Karakasoglu hat auf der Grundlage einer von ihr durchgeführten Befragung von etwa 25 muslimischen Pädagogikstudentinnen - davon zwölf Kopftuchträgerinnen - dargelegt, dass das Kopftuch von jungen Frauen auch getragen werde, um in einer Diasporasituation die eigene Identität zu bewahren und zugleich auf die Traditionen der Eltern Rücksicht zu nehmen; als Grund für das Tragen des Kopftuchs sei darüber hinaus der Wunsch genannt worden, durch ein Zeichen für sexuelle Nichtverfügbarkeit mehr eigenständigen Schutz zu erlangen und sich selbstbestimmt zu integrieren. Das Tragen des Kopftuchs solle zwar in der Öffentlichkeit den Stellenwert religiöser Orientierung im eigenen Lebensentwurf dokumentieren, werde aber als Ausdruck individueller Entscheidung begriffen und stehe nicht im Widerspruch zu einer modernen Lebensführung. Die Bewahrung ihrer Differenz ist nach dem Verständnis der befragten Frauen Voraussetzung ihrer Integration. Auf der Grundlage der von der Sachverständigen geführten und ausgewerteten qualitativen Interviews lassen sich zwar keine repräsentativen Aussagen für alle in Deutschland lebenden Musliminnen treffen; die Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass angesichts der Vielfalt der Motive die Deutung des Kopftuchs nicht auf ein Zeichen gesellschaftlicher Unterdrückung der Frau verkürzt werden darf. Vielmehr kann das Kopftuch für junge muslimische Frauen auch ein frei gewähltes Mittel sein, um ohne Bruch mit der Herkunftskultur ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Auf diesem Hintergrund ist nicht belegt, dass die Beschwerdeführerin allein dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, etwa muslimischen Schülerinnen die Entwicklung eines den Wertvorstellungen des Grundgesetzes entsprechenden Frauenbildes oder dessen Umsetzung im eigenen Leben erschweren würde.
Diese Sicht des BVerfG haben die Länder, die Kopftuchverbote in ihre Landesschulgesetze schrieben, nicht ausreichend berücksichtigt. Bei der Beurteilung der Eignung für den Schuldienst kam es für das Gericht darauf an, wie das Kopftuch auf den Betrachter wirken kann (objektiver Empfängerhorizont).
Deshalb überdachte das Gericht alle möglichen Gründe für das Tragen eines Kopftuches, wie zitiert.

Durch die Schulpflicht haben die Schüler wiederum keine Ausweichmöglichkeit um ihre negative Glaubensfreiheit gegenüber dem Anspruch der positiven Glaubensfreiheit der Kopftuch tragenden Lehrerin durchzusetzen. Daraus ergab sich ein Handlungsdruck für die Landesgesetzgeber die nun  aus zwei sich gegenüberstehenden Grundrechtsansprüchen per Gesetz einen Ausgleich schaffen mussten.

Eine schier unlösbare Aufgabe. In seinem Bemühen der positiven wie der negativen Glaubensfreiheit Rechnung zu tragen, hat das Gericht, auch wegen der Aussagen der Gutachter, gesagt, es gebe keine gesicherten Erkenntnisse über mögliche belastende Auswirkungen auf die Kinder.
Die Annahme einer Dienstpflichtverletzung wegen befürchteter bestimmender Einflüsse des Kopftuchs der Beschwerdeführerin auf die religiöse Orientierung der Schulkinder kann sich nicht auf gesicherte empirische Grundlagen stützen.
Letztlich ist der Ansatzpunkt für das Gericht den konkreten Einzelfall an der tatsächlichen Handlung festzumachen. Nicht präventiv.
Genau das fällt nun den Gesetzgebern auf die Füße. Sie hätten es ausprobieren müssen.
Es fällt mir zwar schwer zuzugestehen, aber diese Sicht ist hart, aber nachvollziehbar. Natürlich ist der Einzelfall erst einmal zu prüfen, wenn die betroffene Lehrerin nicht missionieren will. Andererseits stellt auch der Versuch einen Grundrechtsanspruch über einen anderen. Und ist insofern keine bessere Lösung als ein Kopftuchverbot an staatlichen Schulen.

Leider werden nun die empirischen Grundlagen auf dem Rücken der nichtmuslimischen Kinder ermittelt. Auch ich gehe davon aus, dass dies kein reibungsloser Prozess werden wird.
Er ist aber auch die Konsequenz aus unserem liberalen Rechtssystem.

Das Urteil von 2003 erging mit fünf gegen drei Stimmen. Die Ablehnungsbegründung der Gegenstimmen ging leider nur auf Lehrerinnen im Beamtenverhältnis ein.
Es wird sehr interessant sein zu lesen, wie die morgige Begründung eines kaum zu unterschätzenden Urteils für die deutsche Gesellschaft ausfällt.

Es wird Zeit, denke ich, über die Berechtigung einer staatlichen Schulpflicht nachzudenken, wenn der Bund und die Länder im Schulsystem mehr Probleme schaffen, als sie lösen.
Schnell wird zum öffentlichen Gut erklärt, womit der dies reklamierende Staat dann regelmäßig überfordert ist.
Mitunter genau aus diesem Grund.

Erling Plaethe

2 Kommentare:

  1. Es ist ja schon ein wenig absurd. Einerseits wird von den Kopftuchträgerinnen immer wieder betont, so richtig mit der Religion habe das ja eigentlich nicht zu tun. Denn wenn dem so wäre, müssten sie sich ja auch dazu äußern, warum das nur für Frauen gelten soll, und dann würde die ganze frauenverachtende Begründung zum Vorschein kommen. Die nicht dadurch besser wird, dass Frauen sich ihr freiwillig unterwerfen.

    Aber um dann doch das Kopftuch tragen zu dürfen, wird auf die "Religionsfreiheit" gepocht.

    Ich halte diese Argumentation für bedenklich. Meines Erachtens betrifft das grundgesetzlich geschützte Gut "Religionsfreiheit" vor allem das Bekenntnis und die Möglichkeit, den eigenen Glauben zu praktizieren. Es räumt aber Bekleidung und Essensgewohnheiten Religiöser keinen Rang ein, der nicht auch Ungläubigen zukäme. Wenn also eine Bank ihren Angestellten Kostüm und Anzug vorschreiben kann, muss eine Schule ihren Lehrern auch die Barhäuptigkeit vorschreiben können.

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  2. Mann, ist das Veröffentlichen eines Kommentars hier kompliziert ;-)

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