...

...

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Spekulationen über Kriegsziele und Bodentruppen in Syrien und dem Irak

Mein geschätzter Kollege Werwohlf fragt heute in seinem Beitrag "Krieg?" nach dem Ziel der deutschen Hilfestellung für Frankreich und der westlichen Verbündeten im Kampf gegen den IS. Oder, anders ausgedrückt: Im Krieg gegen den internationalen Terrorismus.
Diese Frage muss unbedingt gestellt und, was noch viel wichtiger ist, sie muss beantwortet werden.

Die Antwort liegt in der von Frankreich eingebrachten und verabschiedeten UNO-Resolution. Es solle der sichere Hafen zerstört werden, den der IS in Syrien und dem Irak aufgebaut hat, heißt es dort:
"...to eradicate the safe haven they have established over significant parts of Iraq and Syria;"
Es ist somit das gleiche Ziel wie einst gegen Al-Qaida in Afghanistan.

Der Krieg gegen den internationalen Terrorismus entzieht sich einem klar definierten Ende. Somit wird das Ziel auch davon unabhängig benannt. Das unterscheidet ihn von anderen Kriegen. Setzt man die Maßstäbe geführter Kriege zwischen Staaten an, so muss man feststellen, dass sie nur schwerlich anwendbar sind im Krieg gegen den IS (als Fortsetzung dessen gegen Al-Qaida). 
Aber, im Gegensatz zu Al-Qaida, ist der IS organisiert wie ein Staat.
Genau das aber erleichtert die Beantwortung der Frage nach dem Ziel nicht, weil dieser Staat keine anerkannte Grenze besitzt und kein eindeutiges Staatsvolk. Die Zugehörigkeit zum IS geschieht nicht durch eine beurkundete Einbürgerung und der Ausgabe von Pässen. Die Angehörigen des IS geben sich nicht als solche zu erkennen, und wenn, werden sie nicht ernst genug genommen. Schließlich erkennt kein Staat der Welt den IS an. 
Trotzdem existiert er. 
Weshalb der Verweis auf die Zerstörung des sicheren Hafens immer auch den Einsatz von Bodentruppen in den Focus rückt, genau so wie dies in Afghanistan der Fall war. Die Bewertung des Afghanistan Einsatzes hat sich allerdings längst gelöst von seinem ursprünglichen Ziel und wich einem Wunsch nach Demokratisierung einer Stammesgesellschaft. Hier liegt die Ursache für  ein Scheitern des Westens. Denn der Einsatz der Bodentruppen sollte auch diesem Ziel dienen.
Das Ziel der Zerstörung eines sicheren Hafens für Al-Qaida wurde aber erreicht. 

Ich zitiere die NZZ:
Grossbritannien unterstütze den französischen Entwurf sehr, weil er bei Fragen nicht ins Detail gehe, zu denen Ratsmitglieder unterschiedliche Meinungen hätten, sagte Rycroft. 
Die Situation im Irak und Syrien gibt nicht mehr her. Dennoch ist es im Krieg gegen den internationalen Terrorismus der wichtigste Punkt: einen sicheren Hafen für Organisationen und Staatsgebilde zu zerstören, die Teil des internationalen Terrorismus sind und eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellen. 
Wie weit letzteres zutrifft, entscheidet in schrecklicher Weise auch darüber, ob ein solcher sicherer Hafen geduldet oder sogar gefördert wird - in der Hoffnung diese potentiellen Kleinststaaten würden von ihrem Terror gegen die unmittelbaren Nachbarstaaten eines Tages absehen.
Im Fall des IS ist mit den Angriffen auf Paris deutlich geworden, dass dies, wenn es Europa betrifft, langfristig keine Option ist. Bei Israel werden leider andere Maßstäbe angesetzt. 

Es ist ein Minimalziel, aber eines, dass m.E. unbedingt ins Auge gefasst werden muss. Weil Deutschland als angesprochener Staat einer UN-Resolution der Aufforderung zum Handeln nachkommen sollte und weil ein enger EU-Partner um Beistand bittet. 
Es geht nicht um den Plan zur Erringung eines grandiosen Sieges, der den Feind ein für alle mal schlägt, sondern um Eindämmung, Schwächung und der Schaffung einer Situation die den IS von innen heraus zerstört. So wie ein Staat nicht überlebensfähig ist, wenn ihm die wirtschaftliche Basis verlorengeht und er implodiert. 
An diesem Punkt wäre die Region keinesfalls befriedet, lediglich einer der zwei gefährlichsten Akteure wäre deutlich geschwächt. Zu dem anderen komme ich später.
Für eine Stabilisierung der Region ist diese Schwächung dennoch Voraussetzung.
Die Frage des Einsatzes von Bodentruppen wäre genau das Detail, "zu denen Ratsmitglieder unterschiedliche Meinungen hätten" und damit, weil nicht konsensfähig, verfrüht.

Grob vereinfacht kämpfen in Syrien und dem Irak vier Seiten:

-Der schiitische Block um den Iran, seine Terrormiliz Hisbollah (ohne die der Libanon nicht mehr regiert werden kann), das Assad-Regime und Russland.
Russland kam ins Spiel weil die Truppen Assads sehr stark dezimiert wurden. Siehe hier
Sie werden mittlerweile von Kommandeuren der iranischen Revolutionsgarden und der Hisbollah geführt. Wie überhaupt der Iran längst dabei ist, die iranische Revolution nach Syrien und in den Irak zu exportieren. 
Russlands Aufgabe ist die Luftunterstützung für den Kampf des Iran um die Kontrolle eines möglichst großen Gebiets des ehemaligen Syrien. Im Gegenzug kann es seine militärische Präsenz in diesem Gebiet erhalten und ausbauen.

-Die Internationale Allianz gegen den Islamischen Staat bestehend aus Nato-Mitgliedsstaaten (inklusive der Türkei), Australien, Neuseeland und arabischen, sunnitischen Staaten.

-Verschiedenen sunnitischen Milizen wie die Freie Syrischen Armee, die vom schiitischen Block durchweg als Terroristen angesehen werden, sowie verschiedene kurdische Milizen, darunter die von Deutschland mit Waffen versorgten Peschmerga, die von der Türkei als Terroristen angesehen werden.

-Der IS (Die Al-Nusra Front würde hier noch zuzählen, weil die UN-Resolution beide im Zusammenhang erwähnt. Allerdings haben sich beide in der Vergangenheit bekämpft und die Al-Nusra Front kooperierte mit sunnitischen Milizen.)

Die sunnitischen Milizen sind teilweise Verbündete des Westens, weil dieser den Sturz des Assad-Regimes wegen seiner Kriegsverbrechen am syrischen Volk unterstützt. Sie kämpfen gegen den schiitischen Block und gegen den IS. Beim Kampf gegen den IS erhalten sie Luftunterstützung durch die Internationale Allianz. 
Daraus ergibt sich für Syrien die Situation, dass der schiitische Block vordergründig gegen die sunnitischen Milizen kämpft (und umgekehrt) und weniger gegen den IS, mit dem sich Assad schon früh arrangierte. An diesem Punkt stehen sich der Luftunterstützer des schiitischen Blocks, Russland und die der sunnitischen Milizen, Amerika und seine Verbündeten feindlich gegenüber.
Russlands Interessen wie auch die des Iran (schiitischer Block) sind absolut inkompatibel mit denen Amerikas und der Internationalen Allianz.

Wer also von einer Zusammenarbeit mit den Truppen Assads träumt, um auf dem Boden gegen den IS mehr Erfolge zu erreichen und ein Kriegsziel definieren zu können, dass über ein Eindämmen hinausgeht, blendet völlig aus, dass es in Syrien, wie auch dem Irak keinesfalls nur um den IS geht. 
Eigentlich geht es lediglich dem Westen um den IS. Alle anderen Beteiligten haben weitergehende Interessen.

Im Irak zeigt sich währenddessen wohin die Entwicklung geht. Die dortige Regierung ist ebenso eine Marionette Teherans wie Assads Regime in Syrien. Nachdem der amerikanische Verteidigungsminister Carter Spezialeinheiten zur Bekämpfung des IS in den Irak schicken wollte, drohte erst die Kata'ib Hezbollah, eine vom Iran gestützte schiitische Terrororganisation, mit dem vorrangigen Kampf gegen diese Einheiten und kurz danach lehnte der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi das Angebot ab. 
Im Irak wird es nur vom Iran genehmigte ausländische Bodentruppen geben. Mit der Hilfe Russlands könnte dies auch für Syrien gelten. Zumal Russland auf Geheimdienstebene mit dem Iran, Syrien und dem Irak zusammenarbeitet.
Also was soll die Diskussion darum ob der Westen Bodentruppen einsetzen sollte oder nicht und ob man Assads Truppen "hier auch nehmen kann"?
Diskutieren dann Kommandeure von Nato, Hisbollah und iranischen Revolutionsgarden am runden Tisch wer wann wo welche Ziele bekämpft? 
Absurder geht es kaum noch. Mir gelingt es nicht die möglicherweise dahinter liegende Botschaft von Frau von der Leyen und Herrn Fabius zu entschlüsseln.

Wenn der Westen mit Bodentruppen zusammenarbeiten würde, dann doch logischerweise aus Ländern mit denen er bereits in einer gemeinsamen Allianz kämpft. Und da gibt es tatsächlich ein Angebot.

Denn der Unterschied zwischen den die Menschenrechte verhöhnenden Regimen in Arabien und im Iran distanziert sich der Iran keinen Deut von seiner Unterstützung und Finanzierung des internationalen Terrorismus. Im Fall Saudi Arabiens und anderer sunnitischer Mitglieder der Internationalen Allianz hat es der Westen wenigstens geschafft, sie zur Verurteilung der Organisation zu bewegen, die ihren Stellvertreterkrieg gegen den Iran führte. Umgekehrt wird man ähnliches vom Iran vergeblich erwarten. Er stützt nicht nur den Massenmörder Assad, die Hamas und die Hisbollah, sondern sieht den IS gar nicht als seinen Hauptfeind an. Der ist und bleibt Amerika
Nochmal: Wie kann bei dieser Ausgangslage eine Zusammenarbeit mit Truppen angesehen werden, die unter der Kontrolle Teherans stehen?

Zu dem ist der IS ein Problem, das langfristig nur mit den Sunniten gelöst werden kann. 
Bis dahin muss der Westen in seinem eigenen Interesse dafür sorgen, den IS so zu schwächen wie einst Al-Qaida. 
Und angesprochen sind dabei vor allem die Länder, aus denen der IS seine Rekruten bezieht. Das ist auch der Grund weshalb Australien und Neuseeland sich engagieren, ebenso wie die beteiligten arabischen Länder.
Und eben Deutschland.

Die Ausbreitung der iranischen Revolution im Irak und Syrien wird sich langfristig als das größte Hindernis für eine Stabilisierung der Region erweisen. Und das Haupthindernis einer endgültigen Zerschlagung des IS. Es ist durchaus denkbar, dass ein ähnliches Arrangement wie es Assad mit dem IS in Syrien traf, letztlich auch vom Iran im Irak getroffen werden kann, wenn dadurch der Machtzuwachs des Iran in Syrien und im Irak abgesichert wird.

Erling Plaethe

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen