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Sonntag, 7. Februar 2016

Wie man dem Hass begegnet

In ihrer Dankesrede für die Überreichung der goldenen Kamera sagte die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali:
"Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt noch mal ein Rassist. Fertig. Und das müssen Sie auch ertragen können."
Klar soweit.
Und wenn sich jemand antisemitisch äußert, ist er verdammt noch mal eine Antisemit. Fertig. Muss er ertragen. 
Tut aber kein einziger Antisemit. 
Und Günter Grass nicht und Jakob Augstein auch nicht.

Josef Joffe, Herausgeber der Zeit schrieb im Januar 2013, es sei heute schlimmer jemanden einen Antisemiten zu nennen als einer zu sein. In sofern haben es die modernen Antisemiten wesentlich leichter als die modernen Rassisten.

Trotzdem bleibt festzustellen, weder Rassisten noch Antisemiten ertragen es, so genannt zu werden.

Da stellt sich für mich, nicht erst seit heute, die Frage, was leichter zu ertragen ist: Die Kritik an einer Äußerung oder die persönliche Kritik - welche die Sachebene verlässt und zur Charakterisierung des sich Äußernden übergeht.


Man kann mit jedem dessen Meinung man nicht teilt, nur so lange diskutieren, wie man sich auf der Sachebene bewegt. Nur in solch einer Diskussion ist überhaupt der Begriff etwas "ertragen zu können" angebracht, vorausgesetzt man will sachlich diskutieren.
Wer einen niveauvollen Diskurs führen möchte, weiß, die Sachebene zu verlassen, ist höchst unprofessionell und dem eigenen Erkenntnisgewinn abträglich. 
Auf der persönlichen Ebene ist die Polemik eine viel bessere Wahl. Da fetzen sich dann in aller Öffentlichkeit Kontrahenten, mit einem fürs Publikum nicht selten hohen Unterhaltungswert, die über die nötige Voraussetzung verfügen: Ein dickes Fell.

Allerdings ist durchaus eine Intention vorstellbar mit der man jemandem unter die Nase reibt, was bitte alle von ihm zu halten haben. Um so mehr, wenn einem dazu eine einzige Äußerung völlig ausreicht.
Es ist der Unwille auch nur noch einen Satz oder auch nur ein Wort wechseln zu wollen. 
Das Gespräch ist dann in seiner zivilisierten Form an diesem Punkt beendet. 
Selbstverständlich kann man Konversationen auch anders beenden, aber darum geht es hier nicht.
Eine Weiterführung wird dann hässlich. 

In einer nichtdigitalen Welt ist dies der Beginn des brüllend ausgetragenen Austauschs von persönlichkeitsbezogenen Beleidigungen die später in einer handfesten Prügelei gipfeln. 
Nicht wenige pubertierende Jugendliche, nicht nur männlichen Geschlechts, haben so etwas in der einen oder anderen Form schon mal erlebt. 
In der Nachlese ging es nie um Hass. Eher um einen Abend mit (zu) viel emotionsfördernden Getränken.
Die Schmerzen im Kiefer halfen am Morgen danach dem vernunftbegabten jungen Menschen zu der Erkenntnis: Sich bei hitzigen Diskussionen unbedingt Persönliches zu sparen und unter keinen Umständen die Sachebene zu verlassen - willst du als Sieger vom Platz gehen.

In der digitalen Welt hat sich diese sichtbar korrigierende Hand offenbar noch nicht dematerialisiert. Wer hier unterwegs ist, tut gut daran, sie sich zu imaginieren.  

Viel treffender als jede laienhafte Persönlichkeitsanalyse ist der stoische Verbleib auf der Sachebene. Wer im Netz kämpfen will, nimmt besser das Florett, nicht den Säbel.

Allerdings beschleicht mich bei den vielen Klagen über den Hass im Netz immer öfter das Gefühl, dass dieser selbst mittlerweile instrumentalisiert wird. "Hass" und "Hetze" werden derart inflationär gebraucht, dass ich mich schon wundere, warum das an mir völlig vorbeiläuft. 

Wer meint, jemand muss aushalten können ein Rassist genannt zu werden, wofür es heutzutage völlig ausreicht, dem Islam ein ambivalentes Verhältnis zur Gleichberechtigung von Mann und Frau zu unterstellen, sollte sich nicht wundern, wenn andere meinen ihre Charakterisierungen müssen ebenfalls ausgehalten werden.

Übrigens gibt es einen im Austeilen nicht zimperlichen Autor, der die an ihn gerichteten hammerharten Beleidigungen regelmäßig auf seinem Blog veröffentlicht und sich darüber nicht nur nicht beschwert, sondern eher belustigt.  
Aber der ist nicht beim ZDF sondern auf der Achse. 
Da hat man es nicht so mit Larmoyanz. 

Erling Plaethe


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