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Dienstag, 17. November 2015

Deutschland zieht nicht in den Krieg, es soll seinen Partnern helfen.

Deutschland zieht nicht in den Krieg wenn es seine Schönfärberei aufgibt und benennt, womit es Europa zu tun hat. Es geht darum zu analysieren, ob das bisherige Maß an Verteidigung gegen einen aufgezwungenen Krieg ausreichend ist. Ob es angemessen ist und den Solidaritätsbekundungen nicht widerspricht, eine stärkere, eine mutigere Beteiligung an der Eindämmung und möglicherweise Zerschlagung des IS, zurückzuweisen. Was Deutschland von Frankreich (wegen der abwehrenden Haltung der Verteidigungsministerin?) mit der Feststellung des Bündnisfalls für die EU, nicht der Nato, unmöglich gemacht wird. 

Mit "intellektuell wohltuenden" Begründungen die eben einer solchen stärkeren Beteiligung letztlich den Verstand absprechen, den zu besitzen jeder sich in Deutschland wähnt, der es gewohnt ist, nicht nur seine Landesverteidigung von anderen Staaten erledigen zu lassen, sondern auch den Schutz seiner Grenze. Und wenn diese Verteidigung unzureichend ist, weder dem einen noch dem anderen eine angemessene Bedeutung einzuräumen. 
Nicht dass der Artikel von Ulf Poschardt nicht briliant geschrieben ist. Er ist es, keine Frage. Das sind seine eigentlich alle. Nur wirkt dieser wie ein Zugeständnis an die intellektuellen Wellnessfreunde denen bei Matthias Döpfner zum selben Thema wohl weniger wohlig wurde und damit die reflexhafte Handlungsempfehlung für die gesamte europäische Politik wohltuend ausblieb. 
Aber genug gemeckert. Das macht die "Welt" eben aus: Meinungsvielfallt. 

Ich möchte mal die Geschichte des IS kurz zusammenfassen, weil sie oft nur die Lesart kennt, in der Amerika auch für den IS verantwortlich gemacht wird.  
Letztlich ist der IS nicht aus Al-Qaida erwachsen, er war nie sein Ableger sondern immer höchst eigenständig. 
So begann er und so steht er heute da. 
Dazwischen war er Teil Al-Qaidas, aus taktischen und wohl auch finanziellen Gründen. Und er existierte schon vor dem Irakkrieg den Amerika führte, um Saddam Hussein zu entmachten. 
Al-Qaidas Mann im Irak war bis zu seinem Tod Zarqawi. 
Er baute seit 1992 zusammen mit Abū Muhammad al-Maqdisī (wird auch als sein Mentor bezeichnet) die Organisation At-Tauhid wa-I-Dschihad auf. Sein Ziel war, das jordanische Königshaus zu stürzen. Nach einem mehrjährigen Gefängnisaufenthalt (1993-1999) wegen dieses Ziels ging er über Pakistan 2000 nach Afghanistan, wo er engen Kontakt zu Al-Qaida pflegte, ohne jedoch mit seiner Gruppe der Organisation beizutreten.

Montag, 16. November 2015

Deutsche Alternativlosigkeit

Das Paar welches gestern bei Günther Jauch über den Angriff auf die Konzertbesucher und den vor ihren Augen stattfindenden Massenmord berichtete, wollte nicht mehr wie geplant mit dem Bus zurückfahren. 
Das ist nachvollziehbar. Wer so etwas erlebt hat, schon mit dem Leben abgeschlossen hatte und ganz knapp, wieder Erwarten, doch noch überlebte, hat eine Erfahrung gemacht, um die sie niemand beneidet. 

Dass sie nun dennoch sagen, was Politiker hören wollen, nämlich sie auch weiterhin zu Konzerten gehen werden, ist ein Wunsch. Etwas das erst einmal durchgeführt werden muss. Welches aber frenetisch beklatscht wird, so als gehe das Leben nach solch einer Tragödie weiter wie zuvor. 
Ich glaube das nicht. 

Diese Angriffe verfehlen nicht ihre Wirkung. Und ihnen diese Wirkung abzusprechen, wie auch die Dimension dessen, womit wir es zu tun haben (Wickert: Man muss die immer nur Terroristen nennen), dient Politikern wie Frau von der Leyen als Rechtfertigung für ihr Nichtstun. Sie sagte gestern in einem Interview es "verbiete sich" darüber zu reden, was das Eintreten des Nato-Bündnisfalles für Konsequenzen in Deutschland hätte. 
Das ist schlicht unglaublich. Die deutsche Verteidigungsministerin verbietet dem Volk das Nachdenken und Reden über mögliche politische Entwicklungen?

Wie stellt sich unsere Regierung das eigentlich vor? Alle paar Wochen tauchen die Kämpfer des Islamischen Staates, den so zu nennen es sich wohl auch verbietet, in unseren Großstädten auf, entleeren ihre Magazine, hinterlassen hunderte von niedergemetzelten Bürgern und nächsten Tag gehen die Überlebenden morgens wie immer zum Bäcker und halten noch ein Schwätzchen mit dem Gemüsehändler?

Mehr noch als den Bürgern sitzt den Politikern die Angst im Nacken. Sie wissen um das perfide Abwägen von Zielen durch terroristische Großstrukturen. Natürlich steigt das Risiko vergleichbarer Angriffe wie dem von Paris, wenn Deutschland seinen wohlfeilen Worten die Taten folgen ließe über die zu reden, unsere Verteidigungsministerin so hilflos wie lächerlich ein Redeverbot versucht zu verhängen. Und sei es nur für sie selbst. 
Wenn Deutschland also weiterhin meint, Feigheit und Tatenlosigkeit würde Barbaren gnädig stimmen, was in der Vergangenheit kombiniert mit dem Freikauf von Geiseln sogar funktioniert haben mag, wird es bald feststellen, dass sie nur zum Totengräber der Nato wird. 
In Bezug auf die Ukraine hat es schon fleißig gebuddelt. 
Und die Angriffe provoziert, welche sie vermeiden will. Denn Deutschland ist nicht nur schwach, es gibt sich auch keine Mühe dies zu verbergen. Manchmal habe ich den Eindruck es kokettiert sogar damit. Unser Feind, wie auch andere Barbaren, sind aber nicht bescheuert. 

In früheren Zeiten waren die Amerikaner zur Stelle, die es aber jetzt, neben einem unfähigen Präsidenten, mit wiedererstarkten Russen zu tun haben. Deren neuer Mut und Tatendrang ist auch mit ein Ergebnis deutscher Außenpolitik in der Ukraine und in der Nato. 
Für ein Land das beschlossen hat, sich nicht mehr selbst verteidigen zu wollen und demzufolge eine dementsprechend unzureichende Landesverteidigung besitzt, ist diese Politik offenbar - alternativlos. 
Das unterscheidet uns von Frankreich. 

Noch ein Wort zur Verteidigungsministerin. Sie spricht nicht nur ein Redeverbot aus, auch die Desinformation ist ihr nicht fremd. In der Sendung spricht sie von der Auswahl der Ziele des IS und dass es Länder beträfe, in denen unterschiedliche Religionen friedlich zusammenleben. Als ein Beispiel führt sie den fast zeitgleichen Angriff in Beirut an. Der galt aber einem anderen Feind des IS, der Hisbollah. Die kämpft an der Seite des Iran und Assads gegen den IS, der seinerseits im Libanon Fuß fassen will, weil er strategisch ganz Nordafrika im Visier hat. 

Als es im Gasometer zur Gretchenfrage kommt wird es beklemmend: 
Deutschland macht nichts außer Waffen liefern, weil es wegen seiner Geschichte nicht kann und auch nicht will und wegen unserer Parlamentsarmee. Frankreich, Großbritannien und die USA machen was, weil sie sich so entschieden haben. Und die USA sind sowieso verantwortlich für alles, weil sie Saddam Hussein gestürzt haben. Im übrigen sollen wir uns an den Terror gewöhnen, da kann die Politik nichts machen. Aber das Kabinett will sich ins Fußballstadion wagen, zum Freundschaftsspiel gegen Holland, um ein Zeichen zu setzen. Und eine Schweigeminute machen wir. So sieht unsere Solidarität aus.
Ulrich Wickert hatte sich zur Sendung herausgeputzt und einen Orden angelegt, der ihn als Offizier der Ehrenlegion ausweist. Dass er die militärische Hilfe Frankreichs für Mali mit den Anschlägen von Paris in Verbindung bringt, zeigt nur noch was für groteske Blüten die deutsche Alternativlosigkeit treibt. 

Erling Plaethe

Samstag, 14. November 2015

Kämpfer oder Attentäter? Armee oder Einzeltäter?

Nach den grauenhaften Angriffen des IS auf Frankreich stellt sich eine Frage erneut. 
Eine, auf deren Beantwortung in Deutschland mit Verharmlosung reagiert wird. Der ausgewichen wird. Und über deren klare Beantwortung man sich lustig zu machen pflegt. 
G. W. Bush hatte die Frage nach 9/11 beantwortet. Die Antwort war der Krieg gegen den Terror. Er forderte den Staat Afghanistan auf, die Unterstützung für al-Qaida zu beenden. Als die Regierung Afghanistans dies ablehnte verteidigte sich Amerika offensiv. Ihm wurde der Krieg erklärt und es wurde angegriffen. 

Jetzt wurde Frankreich angegriffen - erneut. Mindestens 128 Tote und 250 Verletzte hat der jüngste Angriff gekostet. 
Der Feind ist der Islamische Staat. Kein artikelloses IS oder ISIS, sondern eine Macht mit Einnahmen von 1,8 Milliarden Dollar/Jahr und Strukturen die einen Staat eben so ausmachen. 
Jeder andere Staat auf der Welt befände sich nach einem solchen Angriff im Krieg mit der Nato. Es spielt keine Rolle ob unsere Art zu Leben angegriffen wurde. Wir werden auch nicht bestraft von einem unsichtbaren Gegner, dessen Terror über uns kommt wie ein Schicksal. 
Was immer zwingender notwendig wird, ist, unseren Feind zu sehen, seine Organisiertheit und seine Verfasstheit als feindliche Macht die uns militärisch angreift.

Ein Staat wird nicht dann zu einem solchen, wenn ihn die Weltgemeinschaft zu einem macht. Er kann schon vor seiner Anerkennung als einer agieren. Der IS ist auch nicht der einzige Terrorstaat. Im Gazastreifen existiert einer und die Palästinensische Autonomiebehörde weist ebenfalls starke Ähnlichkeiten auf. 

Deutsche Politiker sind heute fassungslos und reden von Attentätern und unschuldigen Opfern. Sie sollten schnell ihre Fassung wieder finden und sehen was offensichtlich ist:
Wir haben es mit Kämpfern des Islamischen Staates zu tun, die nach Europa kommen um Zivilisten zu ermorden. Oder mit anderen Worten: Sie kommen um Krieg zu führen und zu sterben. 
Und jeder dieser Krieger will so viel Zivilisten töten wie möglich. 
Das macht sie zwar zu Kriegsverbrechern, aber geschickt und beauftragt werden sie von einem Staat, dem IS. So wie die Kämpfer der Fatah oder der Hamas israelische Bürger auf offener Strasse ermorden. 
Israel hat in einer Zeit noch schlimmeren Mordens durch die PA seine Grenze ausgebaut. Das half übrigens, ist aber ein anderes Thema. 

Ach ja, die Frage. Sie lautet: 
Werden wir angegriffen und befinden wir uns damit im Krieg?

All die Beileids- und Solidaritätsbekundungen werden sich eines Tages messen lassen müssen an der Bereitschaft Frankreich, uns selbst und Europa zu verteidigen. 
Nicht mit Beamern und Kerzen, sondern militärisch. 

Erling Plaethe

Freitag, 13. November 2015

Die EU stärkt die BDS Bewegung

Eine der DDR Standardfloskeln, wenn es um das freie Berlin ging, war, dass Berlin (West) nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehört und auch nicht von ihr regiert werden darf. Dieser Satz aus dem Viermächteabkommen wurde regelmäßig verlautbart, sollte z.B. eine Bundesbehörde in Berlin (West) angesiedelt werden. 
Auf die Idee einer Forderung nach einer gesonderten Kennzeichnung von Produkten aus dem Westteil Berlins, weil "Made in West-Germany" nicht korrekt wäre, sind die Kommunisten in der Sowjetunion und der DDR allerdings nie gekommen. Es war klar, dass er zur Bundesrepublik Deutschlands gehörte.  

Die EU-Kommission ist sich allerdings für so etwas nicht zu schade, und packt noch eine entlarvende Rechtfertigung oben drauf. 
So hat die EU gestern die Kennzeichnung von Obst, Gemüse und Kosmetika die aus israelischen Siedlungen in Judäa und Samaria stammen, auch Westjordanland genannt, zwingend eingeführt.
Die Kennzeichnung "Made in Israel" darf nicht mehr verwendet werden, wenn mit diesen Produkten in der EU gehandelt wird.
Die Begründung:
Dieser Schritt ginge konform mit ihrer Rechtsauffassung, dass Gebiete außerhalb der Grenzen von 1967 nicht zum israelischen Hoheitsgebiet gehören.

Im Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien von 1994 ist klar festgelegt worden, dass die Grenze beider Staaten der Jordan ist, das Westjordanland betreffend es aber noch keine Grenze gibt, weil diese erst in einer Übereinkunft zwischen den Palästinensern und Israel festgelegt werden kann.
Die EU meint, Grenzen die noch nicht gezogen wurden, vorab festzulegen zu können.
Sie benutzt nun ein wirtschaftliches Druckmittel um Einfluss auf den Nahostkonflikt auszuüben das eines Vermittlers unwürdig ist und den Feinden Israels den Rücken stärkt. Feinde, die massiven Terror gegen die israelische Zivilbevölkerung ausüben. Ganz aktuell und jeden Tag. Hamas und Fatah haben auch, wenig verwunderlich, nicht lange gewartet dies als einen Schritt in die richtige Richtung zu bezeichnen.

Montag, 2. November 2015

(Leit-) Kultstatus Datenschutz

Politische Diskussionen in Deutschland werden um so leidenschaftlicher geführt, je mehr sie sich im Kreis drehen. Taucht in der politischen Praxis ein Widerspruch auf, stürzen sich alle drauf um zu besprechen und zu debattieren wie ein aufgetretenes Problem gelöst werden kann ohne den das Problem verursachenden Widerspruch aufzulösen. 

Zum Beispiel als Folge der Erkenntnis, dass sich eine der Strafverfolgung abträgliche Rechtsprechung als Schutz für die Täter erweist und nicht ihrer Ermittlung .
Ein Kindesmörder konnte kürzlich in Berlin durch ein Video einer Überwachungskamera vor einem privaten Geschäft, die auch den öffentlichen Bereich vor dem Laden abdeckte, überführt werden. Offenbar war die Ermittlung des Täters derart schnell vonstattengegangen, dass schon reflexhaft ein Verstoß gegen das geheiligte Bollwerk der hierzulande ganz normalen Paranoia vorm Überwachungsstaat vermutet werden musste.
War die schnelle Ermittlung des Täters überhaupt mit dem Datenschutz vereinbar? Natürlich nicht, schließlich ist eine seiner Nebenwirkungen ja gerade die erschwerte Ermittlung von Tätern. Wenn die Strafverfolgungsbehörden zügig und erfolgreich arbeiten, wittern Leute die ihre Partei nennen wie Schwerverbrecher, aber nicht nur sie, eine Verschiebung des Kräftegleichgewichts zwischen der Chance von Kriminellen ungestraft davon zu kommen und der geschnappt zu werden. Allerdings werden sie nur aufmerksam, wenn die Verschiebung in eine Richtung stattfindet. 

Jeglichem Datenschutz ist es inhärent der Strafverfolgung im Weg zu stehen - und nicht nur ihr. Es liegt grundsätzlich auch im Interesse der Exekutive so viel Daten als möglich über die Bürger zusammenzutragen um präventiv tätig sein zu können. Diesem Verlangen setzten Gesetze zum Datenschutz in klar definierten Bereichen bis 1983 Grenzen. Danach wurde das Wirken des Datenschutzes maßgeblich von denen bestimmt, die in jenem Jahr eine von viel politischer Ideologie geprägte Kampagne gegen die Volkszählung führten. 

Was die Aktivisten von damals heute noch stolz als einen Sieg verbuchen, war die vom BVerfG zum Grundrecht erklärte informative Selbstbestimmung. Mit diesem Urteil wurde die Grundlage für eine Entwicklung geschaffen, die seitdem nicht nur den Datenschutz gegen die mangelhafte Strafverfolgung ausspielt, sondern auch zunehmend die Meinungsfreiheit. 
Wenig verwunderlich stehen bei der zweiten Disziplin die Aktivisten aus dem gleichen politischen Spektrum im Fokus der Debatte, wie bei der ersten. 
Obwohl die Analyse totalitärer Strategien längst das große Staunen beenden könnte, welches den Amerikanern und den anderen angelsächsisch geprägten Nationen gilt, denen der Datenschutz viel weniger wichtig ist als uns Deutschen, wird er weiterhin gegen eine angeblich drohende Gefahr totaler Überwachung durch den Staat ins Feld geführt. 
Und wenn linke wie rechte antiamerikanische Verschwörungstheoretiker genau diesen Überwachungsstaat schon in den USA und GB umgesetzt sehen, nicken unsere Dabattenkönige mit sorgenvollem Blick und versichern den Anfängen wehren zu wollen. 

Die deutschen Datenschutzbehörden werden bei der Exekutierung des "Rechts auf Vergessenwerden" nicht nur aufgefordert, sondern geradezu genötigt die Kommunikation zu regulieren. Google ist manchen bereits die Verwirklichung der düsteren Vision George Orwells "1984". Oder sie vergleichen Internetfirmen dieser Größe mit Staaten und wollen sie in Bezug auf die Grundrechte gleichsetzen wie der Vizepräsident des BVerfG Ferdinand Kirchhof und der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. 

Unsere Moralisten tragen das Ihrige dazu bei, wenn die weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit mit dem Recht des Bürgers auf informelle Selbstbestimmung begründet werden kann. 
Ein Grundrecht dessen Gewährung dann nicht durch Zurückhaltung des Staates durchgesetzt wird, sondern ganz im Gegenteil durch Regulierung und Bestimmung dessen was gesagt und geschrieben werden darf und was nicht. Soweit ist es noch nicht, doch schon jetzt ist die treibende Kraft nicht ein in den Startlöchern stehender Überwachungsstaat sondern der Druck der öffentlichen Meinung. 
Der wird nicht selten mit Themen aufgebaut, die eben nicht realem Erleben oder Erzählungen Betroffener entspringen. Um die informelle Selbstbestimmung der Informanten in Afghanistan und anderen Krisenherden kümmern sich Snowden und Assange nicht. Die Praktiken der Staatssicherheit dagegen sind längst verblasst im Schatten ihrer Enthüllungen. So wird die NSA öffentlich wesentlich gefährlicher eingeschätzt als der Cyberwar den Russlands Tschekisten gegen Deutschland und andere Staaten führen.

Es kann im Informationszeitalter kein verwirklichtes Recht auf informelle Selbstbestimmung geben. Denn würde es wirklich durchgesetzt, man schüfe die totalitären Verhältnisse vor denen die Bürger bewahrt werden sollen. Ähnlich verhält es sich mit einem Recht auf Arbeit oder auf Wohnraum. 
Jeder hinterlässt Spuren, sie alle verwischen zu können wenn man es denn wollte, käme der Fähigkeit unsichtbar zu werden gleich. 

Selbstbestimmung ist ein kommunikativer Prozess der von der Information lebt und unter einem verallgemeinerten Schutz mehr schadet als nützt. 
Denn solch ein Schutz bedarf irgendwann der Hilfe des Staates. 
Ihm überhaupt die Fähigkeit dazu zuzutrauen ist ebenso unrealistisch wie in ihm einen Überwachungsstaat zu sehen. Denn hätte er die Fähigkeit, wäre er bereits genau der Überwachungsstaat vor dem er die Bürger bewahren soll. 
So bleibt es bei einer idealisierten Wunschvorstellung deren Verwirklichung einer gefährlichen sich selbst erfüllenden Prophezeiung gleicht. 

Als Nachtrag dies:
Ein Zitat aus dem Wikipedia-Eintrag über Hans Peter Bull, erster Datenschutzbeauftragter der Bundesregierung:

"Heute nimmt er eine im Vergleich zu amtierenden Datenschützern eher moderate Haltung ein, was nicht zuletzt auf seine Tätigkeit als Landesinnenminister zurückzuführen sein mag. Datenschutz sieht er nicht als Wert an sich an, sondern lediglich als Gegengewicht und Korrekturmittel gegen eine missbräuchliche Datenverarbeitung. Den extensiven Datenschutz, wie ihn beispielsweise Simitis, Bäumler und Weichert vertreten, lehnt er als Bevormundung und Entmündigung des Bürgers ab. Stattdessen betont er die Stellung des Einzelnen als gemeinschaftsbezogenes Wesen und weist auf das Erfordernis eines sozialadäquaten Informationsflusses hin."

Erling Plaethe


Montag, 19. Oktober 2015

Zur angedachten Grenzschließung zu Österreich in der CDU

Auch wenn sich in Deutschland fast alle außerhalb des idealistischen "Refugees welcome" - Lager auf Angela Merkel als Schuldige für die Flüchtlingswelle eingeschossen haben, sie machen es sich m.E. zu einfach. Denn die Kritik an ihr setzt an wo sie nur wenig ändern kann. 

Flüchtlingen ein faires Verfahren zu ermöglichen, ist eine Frage des Asylrechts, welches seinerzeit mit Blick auf deutsche Flüchtlinge während des II.WK geschaffen wurde. Das deutsche Sozialsystem wird nicht zuletzt aufgrund seiner Missbrauchsmöglichkeiten und seines Ausbaus geschätzt, auch außerhalb. Und viele setzen es mit dem Staat gleich. 

Mit Vehemenz und fast lustvoll wird nun alles was den Flüchtlingen das Leben erleichtert, als Werbemaßnahme interpretiert, in dessen Folge noch mehr nach Deutschland kommen wollen. Was zwangsläufig zum Kollaps der Sozialsysteme führt. Solch eine Argumentation macht aus der Attraktivität eines Landes für Einwanderer, die sich mit den zwei genannten Punkten lange nicht erschöpft, die Ursache für Flüchtlingsbewegungen. Wer sich also um die Flüchtlinge kümmert, für eine rasche Integration, vor allem in den Arbeitsmarkt plädiert, forciert überspitzt dargestellt genau diesen Kollaps. 

Die Pegida betrachtet schon immer alles auf ihrer Agenda überspitzt und spart nicht mit drastischen Worten und ebensolcher Symbolik. In deren nationalsozialistischer Semantik sind deshalb alle, die nicht Flüchtlinge und Einwanderer grundsätzlich ablehnen, Verräter am deutschen Volk, seiner Kultur und seiner Existenz schlechthin, weil sie für mehr Flüchtlinge sorgen. 
Außerhalb dieser Extremisten werden allerdings die Prämissen die zu solch extremen Schlüssen führen, durchaus geteilt. 
Weshalb von der durch Halbwahrheiten gestützten Propaganda nicht auch noch die Konklusionen übernommen werden sollten. 

Nur ein Ignorant kann davon ausgehen, dass Deutschland noch weitere Millionen von Flüchtlingen aufnimmt und der Staat dies finanziell und personell auch bewältigen kann. Er kann es jetzt schon nicht. 
Der Teil der Gesellschaft jedoch, den Pegida als Volksverräter ansieht, hilft der Exekutive diesen Ansturm bewältigen zu können. So etwas wird soziales Engagement genannt und ist ein Indikator für den erreichten Zivilisationsgrad einer Gesellschaft. Was sie zweifellos attraktiv macht.

In der Union und auch in der CDU gärt es darum, weil die Belastungen innerhalb der Kommunen ähnlich ungleich verteilt sind, wie die unter den Staaten innerhalb der EU - auch in Deutschland ist es mit der Solidarität nicht weit her. 
Und so wie in Europa auf das Land kaum gehört wird, welches die Hauptlast zu tragen hat, wird in Deutschland mit den Bayern umgegangen. 

Es geht um Grenzen nicht um die Attraktivität einer humanistischen Zivilgesellschaft und wie nachteilig eine solche angeblich ist. 
Grenzen zwischen Staaten. Wo diese einer starken illegalen oder legalen (was in Deutschland festgestellt werden muss) Einwanderung ausgesetzt sind, werden sie befestigt. Nicht um die Einwanderung zu stoppen, sondern um sie zu verringern und zu kontrollieren. Diese Kontrolle ist für die dauerhafte Bereitstellung humanitärer Hilfe zwingend notwendig. 

Damit Europa seinen grenzenlosen Binnenmarkt aufrechterhalten kann, braucht es deshalb sichere, d.h. dichte, Außengrenzen. So wie der Binnenmarkt der Bundesstaaten in den USA. 
Aber wie schon bei der Währungsunion will Europa eine gemeinsame Währung, meint jedoch auf eine entsprechende gemeinsame Finanzpolitik verzichten zu können. Das fällt ihm seit geraumer Zeit auf die Füße. 

Nun haben die Flüchtlinge vom südlichen Mittelmehr dafür gesorgt, den nächsten kapitalen Konstruktionsfehler der EU offen zu legen: 
Die Schaffung eines Binnenmarktes - unter Abschaffung der Binnengrenzen - ohne die einer dichten Außengrenze. 
Amerika hat solch eine Außengrenze und einen drückenden Einwanderungsstrom. Aber die Situation ist beherrschbar. 
Die EU jedoch bekommt beide Kapitalfehler nicht in den Griff weil sie immer wieder den zweiten Schritt vor dem ersten geht. 
Und wird deshalb vielleicht bald noch mal von vorn beginnen. 

Ob die Kanzlerin genauso lange untätig bleiben kann wie die EU ist sehr zweifelhaft. Letztere kennt keinen politischen Druck aber Angela Merkel oder ihre(n) Nachfolger(in) wird er vermutlich zwingen, die Grenze zu Österreich zu schließen wenn das Land weiter Flüchtlinge durchwinkt. 
Nur weil der Handlungsdruck nicht für die EU steigt sondern nur für einige Mitgliedsstaaten. 
Das wäre dann der Beginn eines temporären Endes des Binnenmarktes und kann das Ende des Euros, in seiner jetzigen Form, beschleunigen. 
Sowie der mögliche Grund warum die Kanzlerin diesen Schritt nicht gehen will. 

Denn Österreich würde es uns gleichtun und immer mehr EU-Länder die überhaupt in der Lage sind, den Nachweis zu erbringen, ihre Grenze so zu sichern als wäre es die EU-Außengrenze. Alle Länder die dies schafften, wären überhaupt nur im Stande einen Binnenmarkt dauerhaft gegen den auf lange Sicht anhaltenden Flüchtlingsdruck aufrechtzuerhalten. 
Und diese Länder würden es auch sein, die das nötige Mindestmaß an Eigenverantwortung bereit sind aufzubringen, um eine europäische Binnenwährung dauerhaft und erfolgreich zu etablieren. 

Erling Plaethe

Dienstag, 13. Oktober 2015

Was zum Leiten taugt

Die deutsche Leitkultur wird wieder bemüht. Eigenwillige(!) Einwanderer sollen sie aufnehmen, akzeptieren, annehmen, verinnerlichen, lesen, verstehen,...weil sie sich zu integrieren, einzufügen haben, schreibt die FAZ. Aber, so der Kommentar, leider ist die Debatte noch nicht so weit die Kultur zu benennen, die sie zukünftig leiten soll. 

Ob dem Autor nicht klar ist, dass er sich mit seinem Resümee bereits mitten in der deutschen Kultur befindet, frag ich mich. Endlose Debatten ohne Ergebnisorientierung zu führen, nur um ihrer selbst willen, das ist deutsche Kultur in Reinform. 

Korrekterweise kommt auch das Grundgesetz zur Sprache, welches, so der Autor, von jedermann gleich oder ähnlich verstanden wird. 
Klar, weshalb alle Nase lang das BVerfG erklären muss, wie das Grundgesetz zu verstehen ist. Nicht nur den Gesetzgebern der PdL die das "System" überwinden wollen. Nein, einfach fast allen und immer wieder. 

Es ist gar nichts klar und deutlich in Deutschland. Überall gibt es Interpretationsspielräume, Ausnahmen die angeblich die Regel bestätigen sollen und Auslegungsunterschiede. Deutschland ist das ultimative "Ja, aber-Land". 

Wenn irgend jemand nach einem Beispiel auf der Suche wär, dass einem bewiese, warum eine Leitkultur nicht praktikabel ist - er würde hier in Deutschland so richtig fündig. 
Die Bürger dieses Landes, inklusive der Politiker, die gern von den Menschen da draußen schwafeln wenn sie Bürger meinen, diskutieren vermutlich noch bis zum Ende des Jahrhunderts und darüber hinaus über die deutsche Leitkultur, ohne auch nur einen Schritt weiter zu kommen. 

Wir Deutsche nennen so ein intellektuelles Geschwätz Tiefgang. Wir, wie der Autor des FAZ-Kommentars so naiv offenherzig preisgibt, sind in unserer Selbstüberschätzung zwar unfähig uns unsere Uneinigkeit über das was uns verbindet einzugestehen, aber, nichtsdestotrotz verlangen wir das, was wir nicht hinbekommen, von anderen.

Und wenn sie scheitern - um so besser. 

Dafür müssen wir die Legende von der Existenz einer deutschen Leitkultur am Leben erhalten. 

Mir würde es ja schon genügen wenn meine Landsleute in einer bedeutenden Mehrheit das Grundgesetz achteten oder vielleicht sogar wertschätzten. 
Aber wenn Politiker es vormachen, wie man sich über die Grundpfeiler unserer Demokratie die eben keine Volksherrschaft sein soll, hinwegsetzt, in dem sie auf die Gewaltenteilung pfeifen und die Exekutive zur alles beherrschenden Gewalt ausformen, sehnt sich der eine oder andere Bürger nach einer Führungsperson. 
Dabei blicken nicht wenige sehnsuchtsvoll nach Moskau wo ein Diktator herrscht - durch einen deutschen Bundeskanzler als lupenreiner Demokrat geadelt.
Und was das Staatsfernsehen dazu an "politischer Bildung" liefert, spricht Bände.  
Von einer gemeinsamen Kultur mit leitendem Charakter wäre man aber auch ohne diese Querelen dann immer noch weit entfernt. 

Und schon bin ich bei einem zweiten Merkmal deutscher Kultur:
Dem der überzogenen Ansprüche. 
Anderen Ländern reicht es aus, dass alle Bewohner die Gesetze achten und die Verfassung. 
Eine Kultur ist da außen vor, weil es regionale Unterschiede gibt, die gar nicht nivelliert werden sollen, weil sie nicht nivelliert werden können. 
Man verfügt über Zivilisation. Das reicht und steht nebenbei über der Kultur, unter die auch Marterpfähle und die Herstellung von Schrumpfköpfen fallen. 

Oder der Märtyrertod als Zivilisten mordender Terrorist. Dem Terroristen wird nicht der Besitz von Kultur abgesprochen sondern von Zivilisiertheit. Er ist einfach nicht in der Zivilisation angekommen. 
Oder aus ihr herausgefallen.

Man könnte auch sagen: Die deutsche Endlosdebatte über eine gemeinsame und leitende Kultur wird nicht enden, weil sie den zum Scheitern verurteilten Versuch unternimmt, sich über den Zivilisationsbegriff hinwegzusetzen und die Zivilisation als der Kultur unterlegen ansieht. 

Wenn ein große Menge an Flüchtlingen aus Gebieten nach Deutschland kommt, in denen Stammeskultur und Clanstrukturen die Gesellschaft bestimmen, und nicht das was im Westen unter Zivilisation verstanden wird, nämlich Recht und Gesetz, werden sie sich mit der Annahme einer Leitkultur schwerer tun, als mit anderem Recht und Gesetz.  

Erst recht wenn ihnen Deutsche erzählen wie sehr sie ihr Land, das was sie unter deutscher Kultur verstehen und ihre "teilkapitalistische" Verfasstheit verachten. 

Mit anderem Recht und anderen Gesetzen werden und müssen sie rechnen. Und sie erwarten wohl auch, dass man dies von ihnen verlangt. Nicht aber das Ablegen ihrer Kultur und die Annahme einer anderen. Das braucht länger als das Handeln nach anderen Gesetzen. 

Die Integrationsaufforderung muss umsetzbar sein und darf keinem Idealismus folgen, der einer deutschen Debattenobsession frönt. Diese Aufforderung muss sich an der deutschen Zivilisation orientieren. An ihren Gesetzen und an ihren Werten die sich aus dem Grundgesetz ergeben. Damit sind zu allererst die Menschenrechte und die sich aus ihnen ergebenden Normen des Zusammenlebens gemeint. 

Mit Kultur hat das alles erstmal wenig zu tun. Ihre Kultur werden die nach Deutschland Kommenden um zu bleiben, mit der hiesigen vermischen. Austauschen sicher nicht. Das hätte Deutschland während des noch andauernden Wiedervereinigungsprozesses bereits lernen können. 

Erling Plaethe