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Samstag, 21. Februar 2015

Freispruch für den Notarzt Alexander Hatz – Eine Petition wider dem deutschen Rechtsstaat, ein Gastbeitrag von PaB.

Der Fall ging durch zahlreiche Zeitungen und Fernsehberichte. Der Inhalt wiederholte sich und die Faktenlage war dünn. Was war passiert:

Der Notarzt Alexander Hatz war auf dem Weg zu einem 2 jährigen Kind, dass zu ersticken drohte. Er kam rechtzeitig an und konnte dem Kind helfen. Ein paar Monate später hat er einen Strafbefehl im Briefkasten. 4500€ Geldstrafe und 6 Monate Führerscheinentzug. Nun war die berufliche Existenz des Arztes in Gefahr und, laut Anwalt des Beschuldigten, das ganze Rettungswesen in Deutschland und in Not geratene Menschen ebenso. 
Welcher Retter würde es noch wagen, wäre der Strafbefehl auch vor Gericht durchgegangen, schnell zu fahren? 

Es lagen nur der Strafbefehl und die Aussage des Beschuldigten vor. Die Zeugenaussagen, die den Fall ja erst hervorgebracht hatten, fehlten.

Fraglich ist, warum der Beschuldigte nicht vor Zustellung des Strafbefehls die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs erhalten hat. 
Der Ermittlungsakte fehlte somit ein wesentlicher Bestandteil, der nun, nachdem sich der Beschuldigte mit Hilfe eines Anwaltes geäußert hat, zur Aufhebung des Strafbefehls durch die Oberstaatsanwaltschaft geführt hat. 
Somit ist die Rücknahme nachvollziehbar und es wird der Verdacht der Beeinflussung durch öffentlichen Druck entschärft.

Vor der Aufhebung des Strafbefehls durch die Staatsanwaltschaft gab es eine große Reaktion auf die Fernsehberichte in Form einer Online-Petition. Ein Mann aus Hamburg hatte von dem Fall erfahren, sich empört und die Petition gestartet. In dieser und auf Facebook erhielt er und somit auch der Notarzt sehr viel Zuspruch. 
200000 Menschen sollen der Petition zugestimmt haben. Wie viele im Forum der Petition und im Rest der Republik dagegen waren, ist nicht ersichtlich. Ich habe mich mal etwas länger mit den Kommentaren beschäftigt. Zum einen hat es mich nicht gewundert, dass bei den Befürwortern die meisten emotional und unsachlich argumentierten, zum anderen war ich sehr erleichtert, dass es auch sehr viele Kommentare gab, die meine Ansichten teilten.  

Was stört mich eigentlich an der Berichterstattung und der Online-Petition?
Zum einen, dass unser Rechtssystem in Frage gestellt wird und zum anderen, dass sich 200000 Menschen anmaßen, besser entscheiden zu können als zuständige Richter und Staatsanwälte. 

Ohne genaue Kenntnis der Aktenlage halte ich höchste Zurückhaltung sogar bei einer bloßen Diskussion für mehr als geboten. Einen Freispruch zu fordern geht weit darüber hinaus. Ist es völlig abwegig, annehmen zu dürfen, dass der Notarzt vielleicht doch bei seiner Eilfahrt einen anderen Autofahrer gefährdet hat? 
Ist so etwas in unserer Republik noch nie vorgekommen? Viele Befürworter der Petition streiten dies nicht ab. Es ist ihnen schlicht egal. Ob eine Gefährdung vorlag oder nicht, ist vernachlässigbar. Hauptsache der Notarzt wird dafür nicht belangt. 

Zeugenaussagen, Beweise und Prozessrecht sind egal, hier geht es um Menschenleben. Viele Kommentatoren und sogar der Rechtsanwalt des Beschuldigten argumentieren mit dem fatalen Signal, welches eine Verurteilung des Notarztes bedeuten würde. 
Das Rettungswesen würde zusammenbrechen. Menschen würden sterben, nur weil die Rettungswagenfahrer sich nicht mehr trauen würden, schnell zu fahren. 

Das einzige Signal, das ich dem Strafbefehl entnehmen kann, ist, dass bei Eilfahrten höchste Vorsicht geboten ist und wenn jemand gefährdet oder geschädigt wird, ist der Fahrer trotz Martinshorn und Blaulicht nicht vor Strafverfolgung geschützt. Aber jeder Rettungswagenfahrer weiß das.

Viele haben geschrieben, sie fänden es Erfahrens wert, wenn der Staatsanwalt oder der Richter einmal in einer Notlage ist und der hinzugerufene Rettungswagen aus Angst vor möglicher Strafverfolgung langsam, weil extrem vorsichtig fährt. Man kennt es sonst nur von der organisierten Kriminalität, dass eine Drohkulisse gegen Richter und Staatsanwälte aufgebaut wird. Soll der Staatsanwalt den Strafbefehl aufheben, weil er befürchten muss, dass sonst Herr Hatz nicht mehr zu ihm fahren kann,  oder noch schlimmer – nicht will, wenn er einmal in Not ist? 

Somit komme ich zu meinem größten Ärgernis, dem eigentlichen Punkt, der für sich genommen, ohne tausende gute oder schlechte Argumente für oder gegen einen Freispruch und übrigens auch ohne Kenntnis des genauen Sachverhalts, alles sagt. 

Die Petition versucht mittels vermeintlich öffentlicher Meinung auf ein laufendes Strafverfahren Einfluss zu nehmen. 

Wie soll denn der Erfolg dieser Petition aussehen? Dass sich der zuständige Staatsanwalt hinstellt, Recht, Gesetz und sein eigenes Urteilsvermögen außen vor lässt und verkündet, er habe angesichts der breiten Anteilnahme für den Beschuldigten den Strafbefehl zurückgenommen? Ist es das, was die 200000 wollen, dass das Volk Recht spricht. Die Bevölkerung soll mehr Volksentscheide bekommen und jetzt auch noch die Rechtsprechung. Strafverfahren werden in Zukunft per Online-Abstimmung entschieden? 
Gewaltenteilung adé.

Einen Freispruch fordern kann die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung. Über einen Sachverhalt und seine möglichen Folgen kann man diskutieren, aber öffentlich Unterschriften für einen Freispruch zu sammeln, zeugt von wenig Verständnis von der Funktionsweise unseres Staates und von viel Misstrauen gegenüber seinen Vertretern.    

In den letzten Berichten zu dem Fall lauten die ersten Zeilen in zahlreichen Zeitungen, dass der Strafbefehl nach der Berichterstattung und der Forderung des Freispruchs von 200000 Unterzeichnern zurückgenommen worden ist. 
Zeitlich stimmt das. 
Leider klingt es so, als ob es auch einen kausalen Zusammenhang gibt. 

Neben den Unterzeichnern und dem Anwalt des Beschuldigten haben somit auch die Fernseh- und Zeitungsberichte jegliche Objektivität und jedes Verständnis für unsere Justiz vermissen lassen.

Ich wünsche mir etwas mehr Vertrauen in unser Rechtssystem. 
Herr Hatz hat vielleicht einen Rechtsanwalt benötigt, aber eine öffentliche Forderung nach Freispruch oder Urteil braucht kein Strafverfahren.

PaB

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